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Der alte M a n d l.

Von Gustav Kicnast.
(Fortsetzung.)

Unmuthig warf Eleonore das Haupt zurück, daß die Fülle
des schwarzen Haares jäh in den Nacken rollte. „Durchlaucht,"
rief sie unter Thränen des Grimms, „diese Mandl kennen mich
nicht, verachten mich; meine Neigung zu dem jungen Sigis-
mund wird mit Füßen getreten! O und nun werden sie sich
ihres Gebahrens rühmen! Die Sommarugas, wird man bald
am Hofe flüstern, haben gebettelt bei den Mandls!"

„Ja, gebettelt, das ist das richtige Wort, Eleonore!" so
tönte höhnend die Stimme Graf Sommaruga's, der unter die
Portiere getreten war. Und zur Churfürstin gewendet, sprach
der Graf: „Durchlaucht scheinen heute bei dem jungen Mandl
so wenig reüssirt zu haben, >vie ich bei dem alten? Ich komme
soeben von ihm! Der Kammerpräsident hat mich insolent ab-
gewiesen. O, die Reichthümer Mandls gehen uns also ver-
loren! — Durchlaucht kennen meine finanzielle Lage!"

„Mein lieber Graf, ich habe für Sie gewirkt, wie ich es
Ihnen versprach, und — so viel ich vermochte! Ich bin unter-
legen und vergebe das den beiden Mandls nicht!" So sprach
Adelheid von Savoyen, aufs Empfindlichste durch Sigismunds
Erklärung verletzt.

„Ich werde für Gcnngthuung sorgen," murmelte Somnia-
ruga. Adelheid aber nahm wieder das Wort:. „Die Somma-
rugas mögen sich trösten! Ein Ersatz für die Reichthümer Mandls
wird sich finden. Ferdinand Maria will den Malz-Aufschlag er-
höhen; man wird daraus für Sie, lieber Graf, eine Quelle sprudeln
lassen, welche Ihnen Ihre vielen Opfer im Dienste meines Stamm-
hauses ersetzt! Doch — höre ich nicht Corallos Stimme im
Vorzimmer? Er weint laut — was ist ihm widerfahren?"

Und kaum hatte die Churfürstin ihre Worte beendigt, so
stürzte Corallo herein, wies seiner Gebieterin ein brennendes
Roth auf seiner Wange und beklagte sich schreiend über den
alten Mandl, der ihn ohne alle Veranlassung mißhandelt habe.
Hinter Corallo trat der Leibarzt Adelheids, Doktor Simeoni ins
Zimmer. Der wälsche Mcdicus haßte den alten Mandl, der sich
oft schon über den habsüchtigen und eitlen Heilkünstler ausgelassen.
„Brutalität, Durchlaucht, Brutalität des alten Mandl! Armer
Corallo! Ich begegnete ihm vorhin ans dem Corridor, sah seine
Wang und macht' ihm eilig Comprcsscn! Nun flüchtete er
fiebernd hieher! Seine Nerven sind auf's Höchste angegriffen!"

Die Churfürstin, bebend vor Unmuth, befahl dem Leibarzt,
den Zwerg auf's Sorgsamste zu Pflegen. Auf den Arm
Simeoni's gestützt, verließ der heimtückische Unhold das Boudoir.

„Was erfrechte sich dieser Mandl? Graf Sommaruga!
Der Alte soll mir's büßen!" So sprach die Fürstin, deren
Gefühl für Corallo eine wahre Marotte genannt werden konnte.
Schon in Turin, wo Antonio, der Zwerg, Sohn eines Bruders
des Grafen Luigi Sommaruga, an dem Hofe eingeschmuggelt worden
war, hatte ihn Adelheid zu ihrem Ritter ernannt, ihm ein in
Gold gefaßtes Corallenhalsband als Zeichen seiner Vasallen-
schaft umgehangen und ihn von diesem Halsband „Cavalliere
Corallo" getauft.

Sommaruga cntgcgnete: „Es sollte mit der Glorie Maudl's
bald ganz zu Ende sein! Nun dürfte der treffliche Dottore

juris, der churfürstliche Revisionsrath Stürz, dessen Posten bei
der Hofkammer Mandl immer als eine Sinekure erklärt —
corpo di Baccho — nun dürfte Der sprechen! Störz hat
mir, der ich mich seiner bei dem Churfürsten auf's Wärmste an-
nehme, schon vor Monden vertraut, er gehe damit um, Nach-
weise zu sammeln, daß es im Departement des alten Mandl
seit Jahren nicht sauber sei! Der Baron nimmt den Mund
voll Ersparungen, tadelt meine Hofhaltung und — es ist doch bei
ihm selbst nicht Alles richtig! Wenn — meint Störz — gewisse
alte Hofkammerrechnungen — Durchlaucht verstehen mich!"

Hastig unterbrach Adelheid die Rede Sommaruga's: „Weiß
Ferdinand Maria schon um Störzens Untersuchungen?"

„Noch nicht," entgegnete Sommaruga.

„Eleonore," wandte sich nun Adelheid an ihre Freundin,
„erwarte mich hier zurück. Sie, Graf, gehen mir voran und
melden mich bei Seiner Durchlaucht. Ich will derselben von
diesen Mandl's erzählen."

Nun geleitete der Höfling die Fürstin zu den Gemächern,
welche der Churfürst bewohnte. Dort meldete er Adelheid an.
Im Vorsaale erwartete er die Rückkunft seiner Herrin. Nach
einiger Zeit erschien Adelheid wieder, von Ferdinand Maria
geleitet. Ein Ausdruck der Genngthuung war in dem Mienen-
spiele der hohen Dame unverkennbar. Der Churfürst, nachdem
er sich von Adelheid verabschiedet, ertheilte Sommaruga folgenden
Befehl: „Senden Sie sogleich nach dein Kammerpräsidenten.
Was habe ich Alles über ihn hören müssen!"

Sommaruga verneigte sich, innerlich frohlockend, und eilte,
des Fürsten Befehl zu vollziehen. Adelheid war in ihre
Apartements znrückgekehrt. Von der Fürstin hörte Eleonore mit
Schadenfreude, daß ein böses Gewitter über den alten Mandl
heraufziehe.

Sommaruga's Boten trafen den Kammerpräsidenten in seinem
Wohnhause im Roscnthale. Ruhig gehorchte der Greis dem
Willen seines Gebieters, sich vor ihm cinzufinden. Er begab
sich in die Residenz. Und schon steht er vor dem Fürsten.

Des jungen Monarchcns Blick ruhte eine Weile kalt und
durchdringend auf dem Treuesten seiner Räthe. Mandls klares,
ehrliches Auge senkte sich nicht vor diesem Blicke.

„Er ist ja heute sehr ungehalten gewesen, daß Wir ihn
nicht vorgelassen! Er hat dem Pernsa gegenüber Acnßerungcn
gethan, die uns höchlich mißfallen haben." So begann
Ferdinand Maria.

„Längn' es gar nicht, Durchlaucht, daß ich hitzig gewor-
den bin! Ich wollt' in hochwichtiger Angelegenheit zu meinem
Fürsten. Die Landschaft bewilligt den neuen Malzaufschlag
nicht, ich erachte sie hierin in ihrem Rechte und fürchte das
böse Blut davon im Lande; es ist unpolitisch —"

„Schweig' Er, Mandl!" herrschte Ferdinand Maria. „Ich
will und muß diese Proposition durchsetzen oder — steckt Er '
vielleicht mit der Landschaft unter Einer Decke? Hat Er nicht
Uns zu vertreten?"

Der Greis richtete einen wehmüthigcn, vorwurfsvollen
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