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Der alte Mnndl.

11

Blick auf den Fürsten. „Das Land, Durchlaucht, ist unser
Beider Sorge —" warf er ein.

„Er ist Unser Beamter!" fuhr der Churfürst auf. „Er
hat Ordre zu parircn. — Und was hat Er mit Corallo ge-
habt? Die Churfürstin hat sich soeben bitter über ihn beklagt."

Der Greis erstattete wahrheitsgetreuen Bericht.

„Wenn dem so ist, so stand doch nicht bei Ihm, Corallo
zu züchtigen. Diese Eigenmächtigkeit soll er auch büßen! Er
bleibt von nun au oou Hoftafcl und jeder fürstlichen Er-
götzlichkcit fern, hört Er? — Nicht ungern hätten wir auch ge-
sehen , wenn eine Heirath Seines Sohnes mit Eleonore oou
Sommaruga zu Staude gekommen wäre. Es war das der Chur-
fürstin Wunsch. Wir lieben die Sommaruga's. Warum haben
Er und Sein Sohn sich dagegen erklärt?"

„Durchlaucht, diese Heirath will mein Sohn nicht und
geb' ich nicht zu. Mein guter Sigismund würde mit dieser
Italienerin nur unglücklich. Auch mag ich nicht zum Schulden-
zahlcn gut genug sein."

„Er ist eben voreingenommen gegen die Sommaruga's.
Uebcrhaupt ist Er ein Malconteut, weil Er nicht mehr allein
zu kommandiren hat!"

Nun richtete der Greis würdevoll sich auf und sprach mit
Wärme: „Ja, gnädigster Herr! Der alte Mandl hat lauge

Zeit allerdings allein was zu sagen gehabt, — das war zu
Ihres höchstseligeu Vaters Tagen! Jetzt ist's anders, jetzt
stehe ich im Hintergründe. Ich macht' mir aber nichts draus,
wenn Andere mich ersetzt hätten. Aber so, Durchlaucht,

bin ich malconteut! Jetzt, seit die Italiener, voran Sommaruga,
iu's Land gekommen, seit Eurer Durchlaucht Savopischeu Hoch-
zeit, hat der alte Mandl keine Zufriedenheit mehr! So einen
Hofstaat kann das Bayerlandl nicht lang aushalten! Alle
Wunden des dreißigjährigen Krieges müssen ja, wenn's so sort-
geht, wieder aufbrechcn. Durchlaucht, seit Langem Hab' ich im
Sinn, ein Memorandum zu schreiben über die Vergeudung im
Hofhaushalte, seit Graf Sommaruga das Heft in Händen hat.
Wenn gnädigster Herr gestatten —"

„Er kann mir Sein Memorandum vorlegcn, bin neu-
gierig darauf", erwiderte Ferdinand Maria. „Nur sehe Er sich
vor," — und hier tönte die Stimme des Fürsten schneidend —
„daß Er selbst rein dastehe!"

„Durchlaucht", erwiderte Mandl, „weiß wohl, daß ich
Anschwärzer habe, aber ich sürcht' sic nicht, mein Gewissen ist
rein!"

„Wollen sehen!" warf der Fürst hin. Er schien nicht
gewillt, noch Erklärungen zu geben. „Geh' Er jetzt; Sein
Memorandum bring' Er Uns! Verhalt' Er sich fortan obe-
dicnt. Steigre Er Unser Mißfallen nicht!"

Und Ferdinand Maria zog sich zurück. Mandl stand eine
Weile sorgenvoll allein. „Was rückt so bedrohlich", sprach er
für sich hin, „an mich heran? Ungnade, Verdacht? Und woher
der böse Wind? Ich brauch' mir den Kopf nicht laug zu zer-
brechen. Die Watschen helfen jetzt alle wider mich zusammen.
Heimtückisches Arsenal, du zeigst deine vergifteten Pfeile!
Aber rein liegt das Buch meines Lebens vor dem strengsten

Auge. Und wie ich jetzt eifrig mich daran mache, den ver-
schwenderischen Sommaruga zu entlarven, so will ich gerne
Rechenschaft geben über mich selbst, wenn mein Fürst es fordert.
Die ehrliche Sache muß siegen!"

Und leichter athmend verließ der Greis das Gemach des
Herrschers und das Schloß.

II.

Unverzüglich machte sich Mandl zu Hause an's Werk,
die Schäden und Betrügereien des unter Sommaruga's Leitung
stehenden Hofhaushaltes zusammenzustellen. Er hatte seine An-
klagcpunkte längst im Reinen und brachte folgendes Memorandum
zu Papier: *)

„Dieweil Eurer Churfürstlichen Durchlaucht wohl zu
Wissen werden soll, daß man bei unterschiedlichen Hof-
Chargen die übermäßgen Ausgaben eiuziehen und sich nach
Maximiliani ruhmreichen Andenkens oseonomia richten, dadurch
auch jährlich 2 bis 300,000 fl. ersparen könne, so be-
nennet man unterschiedliche Gebrechen, ja crimina Dero
Hofhaltung und Personals zu München:

1. Uebermaß der Leut' bei allen Stellen.

2. Werden täglich auf die Churfürstliche Tafel gebracht
50 bis 60 Speisen. Beide Obersthofmeisterinen nehmen
davon hinweg und gegeben wird von ihnen wem und was
sie nur wollen. Die Hofdamen geben ihren Pousseurs, den
Studenten und Officicren, Recreationen davon.

3. Alle Hoffräuleins haben Köche und Köchincn eigens.
Kocht ein Jedes, was cs nur will.

4. Die Speisen werden auch verkauft, Kostgänger dafür
gehalten. Wein begehrt und bekommt Jedermann; Bediente
verkaufen ihren Wein.

5. Die Hauskämmerei braucht jetzt im Jahre mehr
weißes Wachs als vordem Jnslct (Uuschlitt), mehr Pome-
ranzen als vordem Aepfel, mehr Zucker als vordem Salz,
mehr Limoni als vordem Kartoffel.

6. Es laufen jetzt die Laguaien nicht mehr; will Jeder
seinen Klepper haben. Dercnthalben über 2200 fl. nur für
Rosse allein aufgehen

Und so zählte Mandl nicht weniger als vierzig Punkte
her, worin Ersparungen ganz dringend nöthig waren und man
den Untergebenen Sommaruga's und diesem selbst auf die
Finger schauen sollte. Das fertige Memorandum überschrieb
Mandl also:

„6on8ultatio 6t reformatio der übermäßigen

Ausgaben bei Churbayerischem Hofe, welche

1662 im Monat Martii Chursürstlichcr Durch-
laucht von dem geheimen Rathe und Hof-

Kammerpräsidenten von Mandl verfaßt wurde."

(Fortsetzung folgt.)

*) Sikh- dasselbe in Bd. X v°» £. Westenrieder'S Beiträgen zur vater-
ländischen Geschichte, welcher Band auch Mandl's Selbstbiographie enthält. Außer
Wcstenricdcr'S Mittheilnngen wurden zu vorliegender Erzählung die bei den ge-
heimen Rathsakten im l. Archivs - Conscrvatorinm befindlichen Personal - Akten
Mandl's benäht.

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