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26

Der alte Mandl.

und sein Schreiber. Da brach die grimme Wehmuth Sigismunds
mächtig aus und schluchzend warf er sich an des Vaters Brust.
„Beim allmächtigen Gott! Deine Ehre, Vater, muß gerettet
werden! Fluch diesem nächtlich entsetzlichen, tyrannischen Ver-
fahren ! Ferdinand Maria muß Dich hören! Er muß Dir
offen Dein Recht geben — oder wehe, wehe Deinem Verderber!
Sommaruga ist's! Er hat aus Rache Störzens Entdeckungen
zu Deinem Unheile ausgebrütct — o ihn will ich mir zur
Verantwortung ziehen!"

„Sigismund, keine Drohung! Gelingt mir's nicht, meine
volle Schuldlosigkeit zu beweisen, so werd' ich Absetzung und
ungerccht's Urtheil ertragen, wie's einem Manne ziemt. Das
bayerische Volk wird's niemals glauben, daß der alte Mandl
einer schlechten Handlung fähig war. O, wer die schlaue Kunst
der Alltagsklughcit mißachtet und allzu unbekümmert seinem
großen Ziele entgegensieht, dem gereicht durch den Widerstand
der Welt selbst sein Gradsinn zum Verderben! Das ist Ver-
hängniß; ich will's erdulden!"

„Und wenn Du der unverdienten Schmach Dich fügen
könntest, Du, der Mann des großen Churfürsten, ich, Dein
Sohn, crtrüg' es nicht! Ist keine Gerechtigkeit für Dich zu er-
langen, dann wird mein gerechter Zorn furchtbar überschäumen
und mein Degen wird den zu finden und zu strafen wissen,
der die Triebfeder all dieser Ränke ist — den Sommaruga!"

„Mein ist die Rache, spricht der Herr!" suchte nun
Mandl den Sohn zu beschwichtigen. „Sigismund, gib lichteren
Gedanken Raum! Roch hat ja der alte Mandl nicht begonnen,
sich zu wehren. Nun aber greift mein ehrlicher deutscher Sinn
gegenüber der wälschen Bosheit zu jeder erlaubten Waffe. Als
Maximilian in die Schlacht am weißen Berge zog, da gab er
die Losung: Mit Gott und der heiligen Maria! Edler, un-
vergeßlicher Fürst! Dein Feldruf sei auch der meinige!"

Und mit sanftem Kuße berührte der Greis zum Abschiede
für die Nacht des verdüsterten Sohnes Stirne.

in.

Die Bemühungen des abgesetzten Kammerpräsidenten, beim
Churfürsten Gehör zu finden, erwiesen sich bald als vergeblich.
Die Cammarilla, Sommaruga an der Spitze, wußte jede
persönliche Annäherung an den Fürsten zu hintertrciben. Als
nun auch den schriftlichen Bitten des Greises, ein unparteiisches
Gericht niedcrzusetzen, niemals eine Antwort zu Theil ward, da
begann Mandl das Ende seines Prozesses zu ahnen. Die Feinde
des Greises verstanden es eben meisterlich, dem jungen Ferdinand
Maria seinen alten Rath als habsüchtigen Schlaukopf hinzustellen,
der dem verstorbenen Churfürsten Maximilian sich unentbehrlich
zu machen gewußt. Durch dieses Zerrbild gelang es, auch
den letzten Funken der Neigung zu Mandl aus dem Gemüthe des
Monarchen zu tilgen.

Der Alte, der mit Sigismund sich auf sein Schloß
Deutenhofen bei Dachau nächst München zurückgezogen hatte,
wurde im September 1662 zum Ersätze von 30,000 fl. ver-
nrthcilt und gezwungen, ihn zu leisten. Auch hörte man nicht
auf, ihm persönliche Verbrechen Nachweisen zu wollen, ohne

daß es aber gelang. Schweigend trug der Greis von jetzt an
sein Schicksal, bedauert von seinen Kindern und dem Volke der
Bayern.

Sigismund jedoch nahm die Dinge nicht gelassen hin.
Nachdem niemals eine Kundgebung Ferdinand Maria's die
Ehre des alten Mandl öffentlich herstellte, während doch Niemand
im Volke an eine Schuld Mandls glaubte, da war des Sohnes
Entschluß gereift, dem Vater wenigstens an dem Manne Genug-
thuung, blutige Gcnugthuung zu verschaffen, der ihn verläumdete
und stürzte, der den Sieg des Rechtes beharrlich vereitelte, —
an Sommaruga. — — —

Es war ein Abend im Oktober 1662. Auf der weiten,
gegen Südosten mählich ansteigenden Ebene rechts der Isar,
oberhalb der Stadt München, zwischen Haidhausen und Rammers-
dorf, lag hinter Nebeln die rothe, sinkende Sonne und spiegelte
sich in den Fenstern eines Landhauses, das auf mäßiger Anhöhe
hart an der Rosenhcimcrstraße noch heutzutage sichtbar ist und
damals ein Besitzthum der Familie Sommaruga war. Graf
Luigi und sein Neffe Corallo weilten seit einigen Wochen hier.
Ferdinand Maria und Adelheid lvohnten in Nymphenburg;
die Churfürstin war indeß mit Eleonoren vor einigen Tagen
nach dem Wallfahrtsorte Altötting gereist. Heute sollte Adel-
heid von Savoyen wieder in Nymphenburg eintreffen, wo nur
kleiner Hof gehalten wurde. Graf Sommaruga war in Kennt-
niß gesetzt, daß Eleonore noch spät Abends auf dem Landsitze
erscheinen würde, und schon des nächsten Tages sollten die
Sommaruga's wieder nach München sich zurückbcgcbcn, ihren
Winteranfenthalt in der Stadt anzutreten, wohin das Fürsten-
paar alsdann ebenfalls zurückkehrte.

Dem Landhausc ritt langsam ein Mann entgegen, in einen
Mantel gehüllt. Sigismund ist's; er sucht hier den Feind
seines Vaters auf. Der Jüngling steigt am Gehege des rings.
um den Edelsitz gelegenen Gartens ab und pocht am Portale
des Hauses. „Melde dem Grafen Sommaruga," sprach er,
welchen der aus das Anschellcn öffnende Bediente, ein Bursche,
der beständig auf der Villa weilte, nicht erkannte, „daß Jemand
hier ist, der ihm großen Dank abzustattcn hat."

Die Ironie in den Worten des jungen Mandl nicht
ahnend, führte der Bediente den Ankommenden in die Vorhalle
zu den Gemächern des Erdgeschosses, welches Sommaruga be-
wohnte. Diese Halle war durch eine Plafond-Ampel matt er-
leuchtet. „Geh! Hier erwarte ich den Grafen Sommaruga!"
sprach gebieterisch Sigismund und schritt langsam auf und ab.

Bald nach dem Abgänge des Bedienten in die Hcrrcn-
gcmächer öffnete sich die Flügelthür zu denselben. Graf Sommaruga
erschien unter der Schwelle, wohl sehr neugierig, wer der sei,
der ihm Dank abstatten wolle, — er entsann sich ja nicht vieler
guter Handlungen — und hinter dem Oheim schlich Corallo
herbei. —

Sommaruga erkannte den Sohn des alten Mandl.

„Sie hier, Baron? Ah! Ich merke, Sie scherzen, wenn
Sie von Dank reden! Ich wüßte wahrlich nicht. Ich bin nicht
Ihr Feind — aber — Dank —"

„Graf Sommaruga, in Ihren Worten liegt eine richtige
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