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Die Heuschrecken.

wegmäheu, und dabei wohl auch ganz con amore sie selbst
mit verschlucken. Ihre Asceten predigen, wie überall, Enthaltsam-
keit; hüpft aber eine holde Grasjungfer über die blumige Au,
dann springt ein fetter Moralist sogleich im göttlichen Eifer
herbei und hält ihr eine praktische Vorlesung über Nächstenliebe.

Die Schönen sind die blaugeflügelten Heuschreckinnen, die
wie blaue Himmclslnft über die Erde schweben, oder die rothen,
welche wie Rosenblätter dahin flattern und Dichter und Künstler
zu begeistern wissen. Und erst die vielen Musikanten, die bald
in schnarrenden, bald in silberhellen, metallenen Tönen Liebesleid
und Liebcslust ansdrücken und an Sommertagen die Luft mit
süßen Melodieen erfüllen. In ihren Orchestern spielen die Paga-
ninis nach Tausenden, und die Geigen der Heuschrecken sind in
der ganzen Welt berühmt!

Eines Abends saßen mehrere Grashüpfer in einer Than-
kneipe beisammen. Seit Sonnenuntergang hatten sie sich wie
gewöhnlich hier eingefnndcn, um sich behaglich auf den Gras-
halmen zu wiegen und mit bestem Appetit „les fines lierbes“
zu verzehren, die verschwenderisch um sie herum wuchsen.

„Gute Nacht, Kameraden!" lispelte ein behendes Hcu-
schrecklein und sprang blitzschnell empor.

„So bleibe doch noch, Pepita!" riefen die Anderen.

„Unmöglich, Locusta erwartet mich!" und Pepita blickte
schwärmerisch mit seinen grasgrünen Augen umher und ward
alsbald nicht mehr gesehen.

„Auch meine Stunde hat geschlagen!" seufzte ein dicker,
großer Heuschreck und war im Begriffe, zur Kneipe hinaus
zu hinken.

„Schämst Du Dich nicht, schon anfznbrechen, und wo steckt
denn Dein viertes Bein, Mastax?"

„Bei ihr; ach gestern hatte ich einen kleinen Wortwechsel
mit meinem Frauchen, da riß sie mir das Bein aus, und
wenn ich nicht zu rechter Zeit komme, sagte sie, reißt sie mir
noch eines aus, da begreift Ihr wohl —"

„Ach was," meinte sein Nachbar, „bis nächste Woche ist
der ganze Kram wieder nachgewachsen, wie Du wohl weißt;
sieh' her, das ist nun schon mein sechstes Bein, obwohl ich erst
sieben Wochen verheirathet bin."

„Nun, nun," entgegnete Mastax, „ich will cs gerade nicht
so gut haben wie Du, darum gehe ich jetzt nach Hause, es ist
wegen der Kinder, die sollen das Zanken nicht so häufig hören,"
und von dem Gelächter der klebrigen begleitet, hinkte er von dannen-
Nun erhob sich ein alter Heuschreck, den Alle mit der größten
Ehrfurcht behandelten — er hieß Acridius und stand in dem
Rufe eines Weisen und Propheten, denn es war bekannt, daß
er sich von frühester Jugend an ausschließlich von Nicßwurz,
Wolfsmilch, Enzian und derlei Gclehrten-Kräutcrn nährte; ja
man sagte, daß er sich sogar mitunter an den Schirling wagte-
„Ich will morgen wieder einmal zu Nutz und Frommen meiner
Mitheuschreckcn die Sitten der Menschen studiren," Hub er an
und trank bedächtig seine letzten Thautropfen aus einer Glocken-
blume. — „Herrlicher Gedanke, lehrreich und angenehm zugleich,
dies begeistert auch mich, ja wir wollen uns auch an dieser
schönen Aufgabe betheiligeu", riefen im Chorus die Uebrigen, und
alsbald ward die Verabredung getroffen, daß Acridius und drei
Andere am folgenden Tage an verschiedenen Stellen sich nieder-
lassen sollten, und Abends in der Kneipe würden sie dann ihre
Erlebnisse mittheilen.

Einer verbarg sich hinter einer weißen Winde, die sich
durch die sonneudurchglühte Luft leise schaukeln ließ. Er durfte
nicht lange warten, so kamen zivei ernste Männer des Weges
gegangen, wovon der Erste mit dumpfer Stimme sagte: „Was
Liebe, Gleichheit, Freiheit! das Menschengeschlecht braucht strengere
Maßregeln, um es zu beugen und zu regieren." —

„Das wären mir die rechten Grundsätze, da bewahre mich
Gott davor", dachte der Heuschreck. „Ts-ts-ts-ts" und er sprang
hinweg und pries sich glücklich, kein Mensch zu sein.

Der zweite Heuschreck saß behaglich in seinem reichen -
Palaste, dem wogenden, goldenen Aehrcnfelde, in welchem täg-
lich für ihn und die Seinigcn eine köstliche Mahlzeit bereit
stand. Da ging eine arme Frau mit zwei Kindern das Feld
entlang, welche jämmerlich baten, „ach, Mutter, nimm doch
dieses Getreide und mache uns Brod daraus, uns hungert so
sehr!" — „Kinder, wir würden in's Gefängnis; gesperrt!"
sagte sie traurig und ging muthig mit denselben vorüber.

„In das Gefängniß, weil man nicht Hungers sterben
will? — Sßz, sßz, sßz, Kinder, wo steckt Ihr denn?"

„Hier!" riefen die Henschrccklein und sprangen herbei.

„Ihr habt doch nicht Hunger, liebe Kinder, seht, da gibt
es schöne Körner und zarte Blätter, eßt lustig und spart nichts, ■
wir wollen nicht hungern wie so manches Menschenkind!" Und
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Heuschrecken"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Oberländer, Adolf
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Sprung
Gräser <Motiv>
Entspannung
Karikatur
Anthropomorphismus
Zusammenkunft <Motiv>
Heuschrecken <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 65.1876, Nr. 1626, S. 90
 
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