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Schlecht

anging, wies er sie mit dem Bemerken zurück: „Bei den schlechten
Zeiten hat man für Kuchen nichts übrig."

Der Bäckerjunge aber, der nach Grüninger Sitte die Back-
waaren in den Häusern zum Verkauf bot, meldete seinem Herrn
das Vorgcfallenc und vergaß nicht, die Bemerkung des Herrn
Grundhuber von den schlechten Zeiten Silbe für Silbe zu wieder-
holen. Der Bäcker, der ein großer Politiker war, blickte nach-
denklich vor sich hin: „Wie? Herr Grundhuber, der wohlstehende
Besitzer des Gasthofs zum „Einhorn" versagte sich den üblichen
Sonntagskuchen? Das ließ tief blicken! Das war ein Symptom
von nicht zu verkennender Tragweite!"

Eine Stunde später wurde der Bäcker in's Nebenzimmer
gerufen, wo seine Frau eine Anzahl von Kleiderstoffen ansge-

breitet hatte. „Welches Muster soll ich wählen für die Mathilde?"
fragte die Meisterin schmunzelnd.

„Höre," sagte der Bäcker, „wir haben während der letzten

Zeiten.

Zeit ohnehin große Ausgaben gehabt und bei den schlechten
Zeiten soll man alles Unnöthige unterwegs lassen. Denke Dir
nur, der Grundhuber hat wegen der herrschenden Geldnoth keine
Kuchen genommen! Unter solchen Umständen wollen wir unserem
Kinde irgend eine wohlfeile Kleinigkeit schenken und mit dem
Kleide warten, bis die Verhältnisse sich wieder gebessert haben."

Die Meisterin war zu Tode erschrocken. „Herr Jesus!
Was ist denn passirt? Also es gibt Krieg! Ja, ja, ich hab's
immer gesagt! Ehe zwanzig Jahre vergehen, sind wir Alle
Türken. Lotte, trage schnell die Stoffe zurück und sag' dem Herrn
Kleemüller eine schöne Empfehlung, und er möchte entschuldigen;
aber da cs Krieg gäbe und die Zeiten so schlecht wären, so
hätten wir uns anders besonnen."

Die Magd gehorchte. Herr Kleemüller, einer der wohl-
habendsten Kaufleute der Stadt, war durch diese Botschaft nicht
wenig befremdet. „Das sind ja schöne Aussichten," sagte er
zu sich selbst. „Wenn der Bäcker schon an's Sparen denkt,

da muß die Situation in der That faul sein. Nun, es gilt
hier bei Zeiten seine Maßregeln zn ergreifen. Vor allen Dingen
keine unnöthigen Ausgaben!" Mit diesen Worten trat er an
das Pult und schrieb:

„Herrn Paul Körner, Landschaftsmaler, dahier.

Sehr geehrter Herr!

Ich bin Ihnen noch die definitive Antwort betreffs
Ihrer neuen Mondscheinlandschaft schuldig, die ich zum An-
kauf für meinen Salon in Aussicht genommen hatte. Zu
meinem größten Bedauern bin ich Angesichts der immer
empfindlicher auftretenden Gcschäftsstockung genöthigt, aus den
Erwerb dieses Meisterwerkes zu verzichten. Indem ich den
Wunsch und die Hoffnung aussprechc, es möchten bald bessere
Zeiten eintreten, die mich in den Stand setzen, eine Ihrer
trefflichen Schöpfungen an mich zu bringen, zeichne ich

Hochachtungsvollst ergebenst
Alois Kleemüller,
in Firma Kleemüller & Comp."
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Schlechte Zeiten"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Schrecken
Kettenreaktion
Sorge
Staunen
Anfrage
Ablehnung
Stornierung
Ehepaar <Motiv>
Ehefrau <Motiv>
Auftrag
Landschaftsmalerei
Kaufmann
Geld
Wirtschaftliche Lage
Rückgabe
Leichtgläubigkeit
Bäcker <Motiv>
Ironie
Karikatur
Krieg
Vermutung
Textilmuster
Schreiben <Motiv>
Gastwirt <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 65.1876, Nr. 1630, S. 122

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