Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
138

Vergessen?

glitzernde Diamanten nicderfallen. Höher und höher steigt er,
flimmert durch die Wipfel der Bäume und haftet an dem
glänzenden Gitter des Parkthores; doch nein, er haftet an den
goldblonden Locken' des Mädchens und sucht ihr holdes Gesicht.

Sie sieht deine Spiele nicht, Mond, sie lauscht nur, lauscht
mit klopfendem Herzen. „Als er gestern Abschied nahm, versprach
er, mich heute Abend noch einmal, ach, vielleicht das letzte Mal
zu sehen. Sollte er nicht kommen? nicht kommen können? —
Doch, er hat cs ja gesagt! — Horch, ein Pferd! — Er ift's!"

Schnell ist er abgesprungen, schneller noch fliegt die Thiire
ans. Sie liegen sich in den Armen; was sie flüstern, sie wissen's
kaum; was sic denken, ist nur Eins, das Weh des Augenblickes.
Ein Kuß, eine letzte, innige Umarmung und „Behüt' Dich Gott!"
ruft er, ruft sie, die Arme nach ihm ausstreckend. Doch, er ist
im Sattel. „Behüt' Dich Gott, mein Lieb!" Klirrend schlügt
der Säbel gegen die Sporen, und bald trägt nur aus der
Ferne die Luft den eiligen Hufschlag. — Höher ist der Mond
gestiegen. Klar ruht er auf dem Parke und blickt in das gc-
öffucte Fenster. Dort findet er das liebliche Gesicht, irrt über
die blonden Locken und glänzt in den Thränenperlen, die aus
den blauen Augen unaufhörlich fallen. —

Die Bäume flüstern, der Springbrunnen rauscht, sie faltet
die Hände und die Lippe seufzt: „Behüt' Dich Gott!"

Uom Stuime gclinicfii

Grau hängt der Himmel über der herbstlichen Flur. Der
rauhe Nord hat längst die Blumen zur Erde gebettet und die
Bäume und Sträucher ihrer bunten Blätter beraubt, um in
tollen Wirbeln sein Spiel mit ihnen zu treiben. Nur hier an
den Lebensbäumeu scheitert seine Macht, und noch grünglänzend

deckt das Immergrün die stillen Wohnungen der Todtcn. Da
zittert schauerlich, wie der Ruf des Todes selbst, das eintönige
Locken des Todtenmarsches durch die heilige Stille. Soldaten
bringen ihren dahingeschiedenen Offizier zur letzten Ruhe. Schwer
verwundet war er heimgebracht worden; doch die frische Jugend
rang noch ein volles Jahr mit dem Tode, bis beim herbstlichen
Fallen der Blätter auch hier der Lebensquell versiegte. Hört
ihr das Rollen der Salven? Jetzt ist der Erde gegeben, was
der Erde gehörte! — Auch jenes blonde Mädchen im Herren-
hause hatte es gehört. Mit einem Schmerzensschrei war stk
zurückgesunken. Doch sie raffte sich auf, — verkündete es ihr doch,
daß sie nun auch zur Ruhestätte des theuren Todtcn eilen könne!

Leer und still liegt wieder der Friedhof. Da steht stk
nun, auf den Arm ihrer Mutter gestützt. Die blühende Farbe
ist gewichen, um die Lippe zuckt es, und die Augen scheinen
größer und glänzender geworden zu sein, wie sie so in das
Grab starren, das eben ihr Liebstes empfangen hat. Drei
Handvoll Erde wirft sie noch hinab, dann sinkt sie in die Kniec
und weint, weint bitterlich. —

Der Wind raschelt im bunten Laube, aus dem grauen
Himmel fallen Tropfen auf Tropfen, vom Kirchthurme läutet
es Abend. Wie Friede und Auferstehung verkündend dringt es
zu dem armen gequälten Herzen:

Liebe kann nicht untergeh'n,

Was verwest, muß aufersteh'n!

Ein Ralir spater.

Kein Wölkchen trübt die tiefe Bläue des Himmels. Dic
Sonne hat mit ihren Strahlen noch Spätlinge an den Rosen
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Vergessen?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Trauer <Motiv>
Besuch
Bruder
Tochter <Motiv>
Grabstein
Grab <Motiv>
Friedhof <Motiv>
Trost
Bestattung
Karikatur
Tod
Mutter <Motiv>
Liebe <Motiv>
Liebhaber
Junge Frau <Motiv>
Schwager
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 65.1876, Nr. 1632, S. 138
 
Annotationen