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Vergessen?

hervorgelockt"und läßt nicht nach, sic zn erwärmen, als wollte
ßc noch einen Sommer erzeugen. Sie glitzert in den vergoldeten
Spitzen der Grabkreuze und spiegelt sich in dem glatten Marmor,
beschäftig hat das blonde Mädchen eine Guirlande um das
Grab gelegt. Der Bruder des Verstorbenen hat ihr geholfen.
3hre Augen haben sich oft bei der Licbesarbcit begegnet. Jetzt
stehen Beide sinnend neben einander. Durch die jungen Herzen
Zittert es wie süßes Weh. Er drückt ihr die Hand und sucht
ihr Auge. Da wendet sie ihr Gesicht voll zu ihm, ihr Mund
Zuckt, die blauen Augen wollen sich mit Thronen füllen; still
"cigt sie den Kopf ans seine Schulter, und mit bebender Lippe
flüstert er ihr zu: „Max wird uns segnen, und wir, wir wollen
scin Andenken heilig halten!"

„Ja, ich will ihn heilig halten!" —

Die Grille zirpt im Rasen, ein leiser Luftzug bewegt
h>c buntschillernden Blätter der Bäume, die Sonne schickt ihre
wärmsten Strahlen hernieder. Hat sie Schuld an dem Sommer
w den jungen Herzen? —

Jm Mai.

Festlich ist das Herrenhaus geschmückt. Soll es doch heute
das junge Paar, das fürder hier schalten wird, aufnchmen.
Prüfend schweifen die Augen der Mutter noch einmal durch das
Zimmer. Ihr Blick haftet an dem Bilde des verstorbenen
Offiziers. Sinnend bleibt sic vor demselben stehen: „Es soll
kcin Mißton die Freude stören." Rasch hat sie cs weggenommen
und n,i seine Stelle ein anderes gehängt. Es stellt ihre Tochter
wit ihrem Mann als Brautleute dar. —

Endlich, nach langer Hochzeitsreise, sind sie in ihrem Heim
angekommen. Durch die geöffneten Fenster bringt ein leiser
Wind den würzigen Duft der Tannen, der Fink schlägt in den
Zweigen und ereifert sich im Wcttgcsang; der Springbrunnen
rauscht das alte Lied. Sie sitzen Hand in Hand, Glück ini
Herzen, Glück in den Augen. Heiter schweift ihr Blick durch
das Zimmer; sie sicht das Bild über dem Sopha, und ein
seliges Lächeln verklärt ihr Gesicht. Sie ist so glücklich. —
Das Bild, das vordem dorthing, sie hat es nie vermißt.

Nllerseeleu-Tag.

Die Gärten haben ihre schönste Zier hergegeben, um heute
die Gräber der Dahingeschicdenen zn schmücken. Der ganze
Friedhof scheint ein großer, weiter Blumengarten. Um die Kreuze
ranken sich Guirlanden, Kränze decken die Hügel. Tausende
von Menschen wandeln zwischen den Gräbern, knieen an den
Hügeln, um den Blumenschmuck neu zu ordnen, oder stehen
sinnend an einem theuren Grabe. Kein lautes Wort ist zu
hören, denn es ist ein heiliger Ort,, ein heiliger Tag. Aber
auch manches Grab entbehrt des Schmuckes. Vielleicht liegt
hier der letzte einer Familie, verlassen und vergessen! Auch das
Grab des Offiziers ist ungeschmückt. —

Da kommt ein Soldat. Bald hat er das Grab gefunden
und hängt vorsichtig drei große Kränze von Rosen, Nelken und
Eichenlaub an das Marmorkreuz. Er hatte sic sich von seinem
Schatz, einem Bauernmädchen, winden lassen. Der Soldat war
früher sein Diener! Also doch nicht von Allen vergessen!

N.... R....

18*
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Vergessen?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Wagner, Erdmann
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Spinnennetz
Besuch
Blume
Soldat <Motiv>
Grabstein
Grab <Motiv>
Dachboden
Allerseelen <Motiv>
Friedhof <Motiv>
Bildnis
Vernachlässigung
Karikatur
Staub
Katze <Motiv>
Toter
Vergessen <Motiv>
Liebhaber
Kranz <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 65.1876, Nr. 1632, S. 139
 
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