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Muss, Ulrike; Bammer, Anton
Der Altar des Artemisions von Ephesos (Textband): Der Altar des Artemisions von Ephesos — Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.52040#0079
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DAS GEBÄLK

DIE ARCHITRAVE
Ulrike Muss
(Kat.-Nr. 61-67, Tafelabb. 261-276)
Bei allen zugewiesenen Architraven des Artemisionaltares handelt es sich um Architrave der Außenwand279. Sie waren in eine Wand einge-
bunden, wie die bei allen Exemplaren in einer Tiefe von 44-45 cm erhaltenen Aufschnürungslinien zeigen. Mit den Außeneckarchitraven
(A 2, A 3, A 4) ist gesichert, daß diese Wand mit den vorgeblendeten Säulen an der Außenfront der Altarumfassung angebracht war und nicht 263-268
an der Hof-, also Innenseite. An der Modellrekonstruktion des Altares im Ephesos-Museum in Wien gibt es zwar an den Innenseiten auch
Außenecken, diesen können aber keine Architrave zugewiesen werden.
Der Eckarchitrav A 2 weist zwei rechtwinkelig zueinander stehende Architravuntersichten mit Soffitten auf. Der eine Teil weist ein vollstän-
dig erhaltenes Eckjoch auf, während der andere, dazu senkrecht stehende Ast nach 27 cm quer durchschnitten ist. Dieser senkrechte Schnitt
durch den Architrav ist konstruktiv nur deshalb möglich, weil der Architrav statisch nicht von den Kapitellauflagem getragen wurde, sondern
von dem dahinterliegenden Mauerauflager. Dieser unkonstruktive Fugenschnitt ist ungewöhnlich und wirkt unstatisch. Die Eckarchitrave A 3 269,270
und A 4 sind dagegen auf Gehrung geschnitten; deshalb sind sie an einer Stelle anzubringen, an der über Eck gleichwertige Säulenfronten mit
einer diagonal symmetrischen Eckausbildung existieren. Diese sind daher entweder an der Süd-Ost- oder Nord-Ost-Seite des Altares anzu-
bringen, dort, wo eine Symmetrie möglich ist. Dies bedeutet auch, daß der bisher nicht näher zugewiesene Eckarchitrav A 2 zur komplemen-
tären Seite, d. h. an die westliche Außenecke gehört.
Bei den Architraven läßt sich für fast alle wesentlichen Maße Übereinstimmung feststellen; die Variationen bei den Maßen sind sowohl bei
den Soffittenbreiten, dem Abstand der Soffitten von der Vorderkante des Architraves (gemessen bei der untersten Fascie), den Fascienhöhen
und der Gesamtlänge gering. Die Höhe der Architrave lag zwischen 35 und 37 cm. Ein entsprechendes Maß ist zumindest noch bei vier Ar-
chitraven meßbar (A 2: 38,7 cm; A 3: 35,2 cm; A 6: 36,0 cm; A 7: 36,5 cm), auch A 4 und A 5 liegen mit 34,5 bzw. 34,0 cm nicht wesentlich
unter diesem Maß, obwohl bei beiden die Oberflächen teilweise stark abgetreten sind. Bei den Kymatienhöhen bewegen sich die Maße bei
den besser erhaltenen Architraven (A 2, A 6, A 7) zwischen 6,2 und 6,3 cm; die Kymaphasen liegen mit einem Spielraum zwischen 5,6 cm
bei A 7 bis 6,0 cm bei A 2 ebenfalls sehr eng.
Die Länge pendelt - mit Ausnahme des Eckarchitraves A 2 - um 155 cm; die Länge des Fragmentes A 5 ist ebenfalls auf ein Maß von min-
destens 152 cm rekonstruierbar. Für die Rekonstruktion der ursprünglichen Längen der Eckarchitrave A 3 und A 4 ergeben sich zwei Mög-
lichkeiten. Für die erste verlängert man die Gehrung in Richtung auf die Außenecke des Gebäudes, so daß theoretisch der Schnittpunkt der
Gehrungsdiagonalen mit der Architravaußenfläche die Länge des rekonstruierten Gesamtarchitraves ergibt. Damit erhält man ein Maß von
175 cm, welches mit dem Maß des Eckarchitraves A 2 übereinstimmt, der allerdings keine Gehrungskonstruktion aufweist. Ob der Architrav
A 3 dieses volle Maß und eine über Eck gehende Fascienfläche aufwies, läßt sich nicht klären, da auch die komplementäre Lösung mit kurzer 269
Stoßfläche möglich wäre, bei der der rechtwinkelig anschließende Eckarchitrav die über Eck gehende Fascienansicht hätte. Bei der zweiten
Möglichkeit der Ausbildung hätte der Architrav ein zu rekonstruierendes Längenmaß von etwa 155 cm, weil dann die Stoßfuge genau in die
Kapitellmitte fallen muss. Die gleichen Möglichkeiten der Ausbildung existieren auch für den Eckrchitrav A 4. 270
A. Bammer hatte bei den Kapitellen eine leichte Kurvatur festgestellt, weil die Abakushöhen der gut erhaltenen Kapitelle K 1 und K 4 leicht
ansteigend sind. Damit müssen auch die Architrave eine Neigung gehabt haben, was an den Stoßfugen selbst aber hier nicht sichtbar wird.
Dadurch, daß alle erhaltenen Architrave einer Wand vorgeblendet waren, ist es auch keinesfalls sicher, daß auch nur eines der zugewiesenen
Kapitelle gerade zu diesen Architraven gehört. Die generelle Zusammengehörigkeit von Architraven und Kapitellen hatte zuerst H. Schrader
bemerkt, der die Korrosionsspuren des Kapitellabakus auf A 2 mit den Kapitellen K 2 und K 3 in Verbindung brachte (s. S. 156). Die zuge-
wiesenen Kapitelle sind auf beiden Seiten gleichmäßig sorgfältig ausgearbeitet, was bei Kapitellen, die fast an eine Wand anschließen nicht
unbedingt zu erwarten ist280.
Die Überprüfung der Dübel an den Kapitellauflagern der Architrave und der Kapitellaufsichten zeigt, daß nur die Architrave A 2 und A 4 zen- 263,264
trisch zur Soffitte liegende Dübel aufweisen. Bei den übrigen sind diese entweder exzentrisch oder es sind zwei Dübel erhalten. An den er- 267’268
haltenen Kapitellaufsichten sind die Dübel immer in etwa zentrisch in Bezug auf die Längsachse des Kapitelles (von Polsterachse zu Polster-
achse) angebracht.
Die zugewiesenen Kapitelle sind damit aller Wahrscheinlichkeit nach der inneren Peristase des Altaraufbaues zuzuordnen, während alle Ar-
chitrave von den Außenseiten des Altaraufbaues stammen, somit ist eine unmittelbare Kongruenz nicht zu erwarten. Bei den ursprünglich
etwa 60 Architraven (die nicht in die Mauer eingebunden sind) und etwa gleichvielen Kapitellen kann der geringe Erhaltungszustand beider
Gattungen nicht repräsentiv sein.
Ein Problem ergibt sich bei der im Wiener Ephesos-Museum aufgebauten Architekturprobe, bestehend aus Kapitellen (K 1 als Abguß; K 2,
K 3) Architraven (A 2, A 1) und dem darüberllegenden Geison (Art. 67/41) aus der Altargrabung. Hätten die erhaltenen Architrave tatsäch- 285
lieh unterhalb eines solchen Geisons gelegen, so würden zwei Kymatien übereinanderliegen, nämlich das obere Kyma der Architrave und der
untere angearbeitete Eierstab unter dem Zahnschnitt des Geisons281.
Da es aber auch Geisa ohne unteres angearbeitetes Kyma gab, wie G 1, G 2, G 3 und G 6, läßt sich rekonstruieren, daß diese über die erhal- 277-283
tenen Achitrave A 1-A 7 zu liegen kamen. Dies bedeutet, daß die Außenarchitrave A 1-A 7 nur mit Geisonblöcken ohne unteres Kyma zu

279 Von A. Bammer wurden A 1 und A 2 in AA 1968 publiziert.
280 Vgl. Kuhn 202; Muss, Amazonenrelief 9 mit Anm. 17.

2si Vg| p Coupel - P. Demargne, FdX 111, Le Monument des Nereides (1969), Taf. 24, 26,
(mit zwei), Taf. 53 (mit drei übereinanderliegenden Eierstäben beim Türsturz).

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