EPIGRAPHISCHE ZEUGNISSE UND STATUENBASEN AUS DER ALTARGRABUNG
Ulrike Muss
(Kat.-Nr. 176-179, Tafelabb. 419-425)
Die älteste Inschrift aus dem 4. Jh. v. Chr., findet sich auf der Stele Art. 68/21 mit der nur fragmentarisch erhaltenen Darstellung von Pferd
und Wagen in Form einer Proxenie- und Bürgerrechtsurkunde für den Sohn eines Kleon aus Kyrene, der Sportler war.
Den Geehrten wird folgendes verliehen: Bürgerrecht und Proxenie, das Recht auf Haus- und Grunderwerb, Abgabenfreiheit sowie der Vorsitz
bei den Agonen; weiter die Aus- und Einfuhrfreiheit für alle beliebigen Güter sowie die Ausdehnung dieser Rechte auf die Nachkommen.
Alle sonst bekannten Bürgerrechtsurkunden sind auf Mauersteinen des Artemisions verzeichnet (s. S. 26). Hier handelt es sich um eine frei-
stehende Stele, deren Aufstellungsort nach der Fundlage der Altarhof gewesen sein dürfte.
Drei weitere Inschriften aus dem Altarareal stammen aus dem 1. Jh. v. Chr., zwei davon befinden sich auf den oben angeführten Statuenba-
sen, wobei die Inschrift auf Art. 70/2 zur zweiten Nutzung der Basis gehört. Diese Basis war sowohl bei ihrer primären Verwendung im
4. Jh. v Chr. als auch bei ihrer sekundären Verwendung ein Gruppenmonument. Bei der Inschrift handelt es sich um einen Senatsbeschluß,
dessen genaues Thema sich nicht mehr bestimmen läßt. Bei der primären Inschrift auf Art. 70/5 geht es um den Beschluß zum Einsetzten ei-
ner Wache im Artemision. Die dritte Inschrift findet sich auf dem Anteneckquader Art. 69/1, sie wurde ebenfalls sekundär angebracht. Sie
befindet sich an der 36,3 cm langen Sichtfläche der linken Seite und an der 95,5 cm langen Ansichtsseite. Sie nennt Cn. Domitius Ahenobar-
bus Autokrator als Patron der Stadt Ephesos.
Katalog
425 Art. 68/21 Kat.-Nr. 176
Maße: H: 41,5 cm; B: 45,0 cm; D: 7,5 cm, Buchstabenhöhe
1,0 cm
FO: 10,60 m westl. der Altarhofostkante und 10,10 m nördl. der
Innenkante des Südflügels in Höhe des Altarhofpflasters
AO: Ephesos-Museum, Selquk, Inv.-Nr. 1991
Platte mit Bürgerrechts und Proxeniedekret. Nur rechts ist der ori-
ginale Stelenrand erhalten. Der Rand zeigt Bearbeitungsspuren
von Flacheisen, die Rückseite ist gespitzt. Von der Darstellung
oberhalb der Inschrift sind ein Wagenrad und zwei Pferdehinter-
hufe erhalten.
Eine Datierung in das 4. Jh. wird durch die ionischen Formen der
Inschrift nahegelegt.
Im Steingarten des Artemisions wird unter der Nr. Art. 67/1 eine
Stele mit vertiefter Innenfläche ohne Inschrift mit unterem Zapf-
loch aufbewahrt, die ebenfalls den Rest einer Pferdedarstellung -
hier mit erhobenem Vorderhuf - trägt.
Lit.:
D. Knibbe, ÖJh 49, 1968-71, Beibl. 50 Nr. 20; H. Engelmann,
ZPE 22, 1976, 83 (mit Parallelen).
419 Art. 70/2 Kat.-Nr. 177
Maße: H: 29,5 cm; L (bei ergänztem Profil): 119,0 cm; L (an der
US): 95,0 cm
FO: 18 m westlich der Oberkante des Altares und 8,20 m nördlich
der Nordkante, 0,5 m über der Fundamentoberkante des Altarplat-
zes
AO: Ephesos, Steindepot
Anpassende und zugehörige kleinere Fragmente finden sich im
Artemision, im Steindepot in Ephesos sowie im Depot des Gra-
bungshauses (Art. 70/1).
Dreiseitig profilierte Deckplatte (Seiten A, B und D) einer Statu-
enbasis mit Resten von Einlaßspuren für zwei Bronzefiguren. Das
Deckprofil besteht aus gekehltem Abakus und ionischer Welle,
Schnurstab und Apophyge, die Seite C war Stoßfuge und besitzt
eine Anathyrosis. Es existieren zwei Gußkanäle: ein vertikaler, der
durch den Block geht sowie ein zweiter in der Fuge. Der untere,
glatte Teil des Deckblockes gehört zur nicht aufgefundenen senk-
rechten Wand eines Pfeilers, dessen ursprüngliche Höhe nicht be-
kannt ist.
Die Deckplatte hatte eine Grundfläche von etwa 0,95 x 1,20 m, der
ursprüngliche Pfeiler war wohl doppelt so groß.
Der Fundort und damit die Aufstellung im Artemision bzw. im
Areal des Altares, das Profil der Deckplatte und die technischen
Detail in der Ausführung mit der Verdübelung durch vertikale
Gußkanäle sprechen für eine Entstehung des Monumentes im
4. Jh. v. Chr.
Der auf der Seite D erhaltene Rest einer griechischen Inschrift,
wohl aus der 2. H. des 1. Jhs. v. Chr., gehört damit zu einer zwei-
ten Verwendung des Monumentes
Es handelt sich um das Fragment eines Senatsbeschlusses. Aus der
heute noch dreizeilig erhaltenen Inschrift läßt sich rekonstruieren,
daß sich der größte Teil der Eingangsformel auf der nicht bekann-
ten Seite des Denkmals befunden haben muß. Die Inschrift wurde
auf Grund der Buchstabenformen in die Zeit der ausgehenden rö-
mischen Republik datiert. Das genaue Thema des Senatsbeschlus-
ses läßt sich nicht mehr bestimmen. Vermuten läßt sich nur, daß es
sich um einen die Gesamtheit des asiatischen Gemeinwesens be-
treffenden Beschluß gehandelt hat.
Auf der Seite A haben sich außerdem drei Buchstaben einer grö-
ßeren, einzeiligen Inschrift erhalten, zu der von epigraphischer
Seite bis heute kein Kommentar vorliegt.
Die hier erhaltenen drei Buchstaben (.. .MOS), die größer sind als
die auf der Seite D, scheinen in dieselbe Zeit zu datieren, wie die
Inschrift auf dieser Seite.
Nach Hinweis von H. Engelmann könnte es sich hier um eine
Weihinschrift von Boule und Demos handeln. Beide Inschriftenre-
ste würden dann zur zweiten Verwendung der Basis gehören.
Aus der Zeit der ersten Verwendung der Basis stammen die in der
Aufsicht der Deckplatte in Richtung auf die Seite A erhaltenen
Einlaßspuren einer Bronzefigur. Es handelt sich um etwa 4 cm tie-
fe, in ihrem Umriß bohnenförmige Einlassungen. Um die Einlas-
sung für den rechten Fuß findet sich eine Reihe von rosettenförmig
angeordneten Schlagspuren, von denen sich einige wenige auch an
der rechten Seite des linken Fußes finden lassen. Sie entstanden,
als man daranging, die Figur - möglichst unversehrt - mit dem
Bleiverguß aus der Basis herauszulösen.
Die Form der Einlassungen zeigt, daß die Füße der Figur nackt und
voll aufgesetzt waren, was ein ruhiges, gebundenes Standmotiv der
Figur rekonstruieren läßt. Das rechte Bein war Stand-, das linke
Spielbein. Die Fußlänge läßt sich auf ungefähr 35 cm berechnen,
damit handelt es sich um eine wahrscheinlich männliche überle-
bensgroße Figur von über 2 m Höhe. Es ist anzunehmen, daß auch
auf dem heute fehlenden Teil der Statuenbasis bzw. ihrer Deckplat-
117
Ulrike Muss
(Kat.-Nr. 176-179, Tafelabb. 419-425)
Die älteste Inschrift aus dem 4. Jh. v. Chr., findet sich auf der Stele Art. 68/21 mit der nur fragmentarisch erhaltenen Darstellung von Pferd
und Wagen in Form einer Proxenie- und Bürgerrechtsurkunde für den Sohn eines Kleon aus Kyrene, der Sportler war.
Den Geehrten wird folgendes verliehen: Bürgerrecht und Proxenie, das Recht auf Haus- und Grunderwerb, Abgabenfreiheit sowie der Vorsitz
bei den Agonen; weiter die Aus- und Einfuhrfreiheit für alle beliebigen Güter sowie die Ausdehnung dieser Rechte auf die Nachkommen.
Alle sonst bekannten Bürgerrechtsurkunden sind auf Mauersteinen des Artemisions verzeichnet (s. S. 26). Hier handelt es sich um eine frei-
stehende Stele, deren Aufstellungsort nach der Fundlage der Altarhof gewesen sein dürfte.
Drei weitere Inschriften aus dem Altarareal stammen aus dem 1. Jh. v. Chr., zwei davon befinden sich auf den oben angeführten Statuenba-
sen, wobei die Inschrift auf Art. 70/2 zur zweiten Nutzung der Basis gehört. Diese Basis war sowohl bei ihrer primären Verwendung im
4. Jh. v Chr. als auch bei ihrer sekundären Verwendung ein Gruppenmonument. Bei der Inschrift handelt es sich um einen Senatsbeschluß,
dessen genaues Thema sich nicht mehr bestimmen läßt. Bei der primären Inschrift auf Art. 70/5 geht es um den Beschluß zum Einsetzten ei-
ner Wache im Artemision. Die dritte Inschrift findet sich auf dem Anteneckquader Art. 69/1, sie wurde ebenfalls sekundär angebracht. Sie
befindet sich an der 36,3 cm langen Sichtfläche der linken Seite und an der 95,5 cm langen Ansichtsseite. Sie nennt Cn. Domitius Ahenobar-
bus Autokrator als Patron der Stadt Ephesos.
Katalog
425 Art. 68/21 Kat.-Nr. 176
Maße: H: 41,5 cm; B: 45,0 cm; D: 7,5 cm, Buchstabenhöhe
1,0 cm
FO: 10,60 m westl. der Altarhofostkante und 10,10 m nördl. der
Innenkante des Südflügels in Höhe des Altarhofpflasters
AO: Ephesos-Museum, Selquk, Inv.-Nr. 1991
Platte mit Bürgerrechts und Proxeniedekret. Nur rechts ist der ori-
ginale Stelenrand erhalten. Der Rand zeigt Bearbeitungsspuren
von Flacheisen, die Rückseite ist gespitzt. Von der Darstellung
oberhalb der Inschrift sind ein Wagenrad und zwei Pferdehinter-
hufe erhalten.
Eine Datierung in das 4. Jh. wird durch die ionischen Formen der
Inschrift nahegelegt.
Im Steingarten des Artemisions wird unter der Nr. Art. 67/1 eine
Stele mit vertiefter Innenfläche ohne Inschrift mit unterem Zapf-
loch aufbewahrt, die ebenfalls den Rest einer Pferdedarstellung -
hier mit erhobenem Vorderhuf - trägt.
Lit.:
D. Knibbe, ÖJh 49, 1968-71, Beibl. 50 Nr. 20; H. Engelmann,
ZPE 22, 1976, 83 (mit Parallelen).
419 Art. 70/2 Kat.-Nr. 177
Maße: H: 29,5 cm; L (bei ergänztem Profil): 119,0 cm; L (an der
US): 95,0 cm
FO: 18 m westlich der Oberkante des Altares und 8,20 m nördlich
der Nordkante, 0,5 m über der Fundamentoberkante des Altarplat-
zes
AO: Ephesos, Steindepot
Anpassende und zugehörige kleinere Fragmente finden sich im
Artemision, im Steindepot in Ephesos sowie im Depot des Gra-
bungshauses (Art. 70/1).
Dreiseitig profilierte Deckplatte (Seiten A, B und D) einer Statu-
enbasis mit Resten von Einlaßspuren für zwei Bronzefiguren. Das
Deckprofil besteht aus gekehltem Abakus und ionischer Welle,
Schnurstab und Apophyge, die Seite C war Stoßfuge und besitzt
eine Anathyrosis. Es existieren zwei Gußkanäle: ein vertikaler, der
durch den Block geht sowie ein zweiter in der Fuge. Der untere,
glatte Teil des Deckblockes gehört zur nicht aufgefundenen senk-
rechten Wand eines Pfeilers, dessen ursprüngliche Höhe nicht be-
kannt ist.
Die Deckplatte hatte eine Grundfläche von etwa 0,95 x 1,20 m, der
ursprüngliche Pfeiler war wohl doppelt so groß.
Der Fundort und damit die Aufstellung im Artemision bzw. im
Areal des Altares, das Profil der Deckplatte und die technischen
Detail in der Ausführung mit der Verdübelung durch vertikale
Gußkanäle sprechen für eine Entstehung des Monumentes im
4. Jh. v. Chr.
Der auf der Seite D erhaltene Rest einer griechischen Inschrift,
wohl aus der 2. H. des 1. Jhs. v. Chr., gehört damit zu einer zwei-
ten Verwendung des Monumentes
Es handelt sich um das Fragment eines Senatsbeschlusses. Aus der
heute noch dreizeilig erhaltenen Inschrift läßt sich rekonstruieren,
daß sich der größte Teil der Eingangsformel auf der nicht bekann-
ten Seite des Denkmals befunden haben muß. Die Inschrift wurde
auf Grund der Buchstabenformen in die Zeit der ausgehenden rö-
mischen Republik datiert. Das genaue Thema des Senatsbeschlus-
ses läßt sich nicht mehr bestimmen. Vermuten läßt sich nur, daß es
sich um einen die Gesamtheit des asiatischen Gemeinwesens be-
treffenden Beschluß gehandelt hat.
Auf der Seite A haben sich außerdem drei Buchstaben einer grö-
ßeren, einzeiligen Inschrift erhalten, zu der von epigraphischer
Seite bis heute kein Kommentar vorliegt.
Die hier erhaltenen drei Buchstaben (.. .MOS), die größer sind als
die auf der Seite D, scheinen in dieselbe Zeit zu datieren, wie die
Inschrift auf dieser Seite.
Nach Hinweis von H. Engelmann könnte es sich hier um eine
Weihinschrift von Boule und Demos handeln. Beide Inschriftenre-
ste würden dann zur zweiten Verwendung der Basis gehören.
Aus der Zeit der ersten Verwendung der Basis stammen die in der
Aufsicht der Deckplatte in Richtung auf die Seite A erhaltenen
Einlaßspuren einer Bronzefigur. Es handelt sich um etwa 4 cm tie-
fe, in ihrem Umriß bohnenförmige Einlassungen. Um die Einlas-
sung für den rechten Fuß findet sich eine Reihe von rosettenförmig
angeordneten Schlagspuren, von denen sich einige wenige auch an
der rechten Seite des linken Fußes finden lassen. Sie entstanden,
als man daranging, die Figur - möglichst unversehrt - mit dem
Bleiverguß aus der Basis herauszulösen.
Die Form der Einlassungen zeigt, daß die Füße der Figur nackt und
voll aufgesetzt waren, was ein ruhiges, gebundenes Standmotiv der
Figur rekonstruieren läßt. Das rechte Bein war Stand-, das linke
Spielbein. Die Fußlänge läßt sich auf ungefähr 35 cm berechnen,
damit handelt es sich um eine wahrscheinlich männliche überle-
bensgroße Figur von über 2 m Höhe. Es ist anzunehmen, daß auch
auf dem heute fehlenden Teil der Statuenbasis bzw. ihrer Deckplat-
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