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Muss, Ulrike; Bammer, Anton
Der Altar des Artemisions von Ephesos (Textband): Der Altar des Artemisions von Ephesos — Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.52040#0127
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DIE DECKPROFILE DER ESCHARA

Ulrike Muss
(Kat.-Nr. 181-191, Tafelabb. 427-442)
Bei den sog. bekrönenden Profilen handelt es sich um Deckplatten, bestehend aus einem ionischen Kyma, sowie aus einer über einem 2,5 cm
hohen, glatten Profil gelegenen simaartigen Hohlkehle mit Lotos-Palmettenfries. Fundorte dieser Blöcke sind die Altargrabung im Arte-
mision sowie das Areal der Johannesbasilika. Die spitzen Kerne zeigen einmal aufrechte, einmal überfallende Akanthusblätter, die normale
Palmette auf der einen Seite spitze, auf der anderen keulenförmige Blätter mit hohlem Blattfleisch. Gemeinsame Charakteristika dieser Blök-
ke sind aber nicht nur ihre identische Dekoration, sondern auch die bei allen größeren Bruchstücken auf der Oberseite etwa bei einer Tiefe
von ca. 20,0 cm erhaltene Ausnehmung in Form einer ca. 5,0 cm tiefer gelegenen Fläche, die auch auf eine identische Anbringung und Funk-
tion schließen läßt. Alle größeren Fragmente dieses Profiltyps weisen in der Aufsicht eines oder mehrere Stemmlöcher auf (Art. 70/4; 70/1;
StJ 90/o. Nr. - Kat.-Nr. 188). Diese Deckplatten hatte A. Bammer der Eschara im Inneren des Altarhofes zugewiesen, indem er die Ausneh-
mungen der Steine auf ihrer Oberseite als Einlassung für eine feuerfeste Platte des Herdes interpretierte420.
G. Gruben hat diesen Überlegungen Bammers zugestimmt und weitere Beispiele angeführt421. Für den großen Altar der Hera in Samos (den
sog. Rhoikosaltar) sah H. Schleiff in seiner Rekonstruktion der kaiserzeitlichen Erneuerung als feuerfeste Platten eine Reihe von von etwa
23,0 cm hohen Steinen aus grünem Serpentin vor, die bis zu 90,0 cm tief sind und wahrscheinlich bereits beim archaischen Altar in Verwen-
dung waren422. Diese lagen auf der Oberfläche der Profile auf und ragten über deren Abschluß hinaus. Bei einer Reihe von parischen Altären
konnte A. Ohnesorg beobachten, daß der Altartisch aus Marmor immer grob gespitzt und oft auch uneben ist und sich damit nicht als Lage-
fläche für eine feuerfeste Steinplatte eignet. Hier wird als Feuerschutz entweder ein Metallblech vorgestellt, wie dies bei einem kleinen pari-
schen Blockaltar der Fall gewesen sein soll, für die übrigen wird ein Lehmverputz bzw. -verstrich von mehreren Zentimetern Stärke rekon-
struiert, der dann an den Seitenflächen hochgezogen worden sein muß und von Zeit zu Zeit erneuert worden wäre423. Für die Deckprofile der
Eschara im Hofaltar des Artemisions ergibt sich durch die beiden Stemmlöcher in der Aufsicht von Art. 70/4, daß es sich hier sicher nicht um
einen Lehmverstrich zur Hitzedämmung gehandelt haben kann, sondern um Steinplatten, die in diese Eintiefung eingefügt wurden424. Als
Material für die feuerfeste Platte kommt sowohl Serpentin als auch Schiefer in Frage. Heute sind uns bereits etwa 5 m Länge dieses Profiles
bekannt, und unter den Fragmenten befinden sich allein drei Eckfragmente (Art. 67/35; StJ 75/o. Nr. - Kat.-Nr. 184; StJ 87/53) Bei einer Sei-
tenlänge der Eschara von etwa 3,50 m betrug ihre Gesamtlänge mindestens 14 m. Theoretisch ist es auch möglich, daß nicht nur die Eschara,
sondern auch der Aufbau der sog. Kultbildbasis mit diesem Profil abschloß, vorausgesetzt, es gäbe auch Steine ohne vertiefte Ausnehmung
auf der Oberseite. Bei Art. 67/35 ist trotz seiner in der Aufsicht erhaltenen Tiefe von ca. 20 cm der Beginn einer tiefer gelegenen Fläche nicht
erhalten. Damit bleibt offen, ob es bei diesem Stein eine Ausnehmung gab oder nicht. Dasselbe Fragment zeigt aber auf der Oberseite eine
aus zwei etwa parallel verlaufenden korrodierten Linien bestehende Aufschnürung. Vom Rand der Seite A ist diese 3,5 cm entfernt, bei der
Seite B liegt sie dagegen fast am Rand des Profiles. Vielleicht läßt dies darauf schließen, daß an den Ecken Akrotere angebracht waren.
Der Rand der übrigen Profile ist bis zum Beginn der Ausarbeitung mit ca. 20,0 cm (bei 70/1: 19,0 cm) ziemlich breit, was aber zum Schutz
des Profiles mit Lotos-Palmetten-Dekoration vor der Hitze der eingelassenen Platte notwendig gewesen sein kann.
Bei den der Epikranitis der Eschara zugewiesenen Blöcken liegt der Lotos- Palmettenfries in der Achse der Eier, zwischen Lotos-Palmetten-
fries und Eiern liegt ein glattes Profil. Bei den ähnlichen, aber nicht der Eschara zugewiesenen Profilblöcken (s. Appendix S. 121) liegt der
Lotos-Palmettenfries nicht axial zu den Eiern, beide Friese sind auch nicht durch ein Profil voneinander getrennt, sondern stoßen direkt an-
einander an.

Katalog
Ulrike Muss - Mustafa Büyükkolanci
427 Art. 67/35 Kat.-Nr. 180
Maße: H: 17,2 cm; T: 20,7 cm
FO: 5,5 m westl. der 1966er Westkante des Altares ( = östl. der
Hofinnenkante) und 1,00 m südl. der Rinne auf dem Niveau
h = 0,00 m, am 16.10.1967
AO: Ephesos-Museum, Selguk, ohne Inv.-Nr.
Eckstück einer Deckplatte mit Lotospalmettenband in einer leich-
ten 6,1 cm hohen Hohlkehle. Oberes Auflager erhalten, dessen
vorderer Rand großteils verbrochen. Das Auflager zeigt 3,5 cm
von seinem Rand entfernt eine scamillusähnliche Korrosionslinie.
Die gesamte Oberfläche ist stark verwittert.
Der Palmettendekor geht über Eck und folgt dem Verlauf des aus-
kragenden Profiles. Die drei erhaltenen Palmetten sind verschie-

den gestaltet: die linke nur zur Hälfte erhaltene der besser erhalte-
nen Seite (B) wächst aus einem spitzen Kelchblatt heraus, über
dem ein Akathusblatt liegt. Die sich aus dem Spitzblatt entwik-
kelnde Palmette ist offen und stößt mit ihren Spitzen endenen
Blättern an die seitlich ausschwingenden Blätter der Lotosblüte
an, die fast bis zum Mittelblatt der Palmette reichen, wie die links
anschließende Palmette belegt; die Lotosblüte wächst aus einem
U-förmigen Kelch und stößt mit ihren Kelchblättern und den er-
sten seitlich herauswachsenden Blättern an die Palmette an. Die
aus den Akanthusblättern seitlich herauswachsenden Stengel
schließen sich unter der Lotosblüte zur Volute; die zweite Palmette
weist ein anders gestaltetes Akanthusblatt auf, welches keine Spit-
ze bildet, sondern zu den Seiten auseinanderfällt. Das Ende dieser

420 Zuerst in AA 1972.
421 G. Gruben, AA 1982, 656 ff.
422 H. Schleif, AM 88,1933,174ff.
423 A. Ohnesorg, L’Espace sacrificiel 126.
424 Dagegen hält Kuhn 213 die Zugehörigkeit dieser Blöcke (von den übrigen größeren
Blöcken war damals nur 70/1 bekannt) zu einer Altartischbekrönung für sehr unwahr-
scheinlich, weil Art. 70/K 4 im Bereich der Ausarbeitung ein Stemmloch (richtig: zwei

Stemmlöcher) besitzt, was nach Kuhn dafür spricht, daß es sich um den oberen Ab-
schluß einer Wand oder einer Stützenordnung handelt, auf der eine Brüstung oder ein
weiteres Stockwerk aufsaß. Es widerspricht aber den Prinzipien der antiken Architektur
in diese Form der Ausarbeitung eine Architektur, wie etwa eine Wand etc. einzulassen,
da dann dort seitlich das Wasser stehen würde und nicht abfließen kann. Auch als Basis
für eine Stele kommt dieses Profil nicht in Frage.

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