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Adenstedt, Ingrid; Krinzinger, Friedrich [Hrsg.]
Hanghaus 2 in Ephesos, die Wohneinheiten 1 und 2: Baubefund, Ausstattung, Funde (Textband 1): Textband Wohneinheit 1 — Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.47151#0201
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A.VII Architekturdekoration

1 Peristylhof SR 2
Der Bauphase I des Peristylhofes SR 2 in der WE 1 sind keine Bauteile mit Sicherheit zuzuweisen. Es ist aber nicht auszuschließen,
daß die dorischen Säulen, die z. T. bis in die letzte Benutzungsperiode der Wohneinheit in Verwendung waren, bereits aus der frühesten
Phase stammen.
Spätestens in der Bauphase II wurden in SR 2 auf dem Stylobat vier dorische Säulen an den Ecken versetzt1. Vorerst scheinen keine
weiteren Säulen dazwischen aufgestellt worden zu sein. Zwar sind in den Hauptachsen die Stylobatblöcke breiter als die übrigen, Ver-
satzspuren für dorische Säulen sind aber keine vorhanden. Während der mittlere Stylobatblock im S unregelmäßig abgetreten erscheint,
sind im O und W offenbar Stemmlöcher, deren Funktion unklar bleibt, und die aufgrund ihrer Position jedenfalls weder mit dorischen
Säulen noch mit Basen für Säulen anderer Ordnungen in Zusammenhang gebracht werden können. Die Oberlager der genannten Blöcke
sind grob gespitzt und damit als Standfläche unbrauchbar2.
Die dorischen Säulen aus Marmor sind mit 20 flachen, sorgfältig und sehr seicht ausgearbeiteten Kanneluren überzogen und kanonisch
ohne Basen auf dem Stylobat versetzt. Die mit dem Zahneisen bearbeitete Oberfläche ist nicht weiter geglättet, daher ist zu vermuten,
daß die Säulen ursprünglich stuckiert und verputzt gewesen sind.
Obwohl von den Säulen nur einzelne Trommeln erhalten sind, läßt sich die Höhe der Säulen durch ihre Weiterverwendung in Baupha-
se IV rekonstruieren. Balkenlöcher in der Wand korrespondieren mit der Höhe der Säulen, die Einzapfungen für den Türsturz bei der
Abmauerung des N-Umganges (SR lOa/b) stimmen mit den entsprechenden Einarbeitungen in den benachbarten Mauern überein.
Die dorischen Kapitelle müssen einen unteren Durchmesser von knapp über 30 cm gehabt haben. Bei einer Säulenhöhe von etwas un-
ter 280 cm wäre nach Vitruv eine Kapitellhöhe von 1/14 der Säulenhöhe, also ca. 20 cm zu erwarten3.
Unter den Spolien aus der WE 1 findet sich lediglich ein Kapitell, das in den Maßen diesen Angaben entspräche (A-A 36). Das Kapitell
ist aber im Gegensatz zu den Säulen aus Kalkstein gefertigt und in seiner Oberflächenbehandlung deutlich weniger sorgfältig als die
Säulenschäfte. Eine Zuweisung kann daher nicht mit Sicherheit angenommen werden.
Die Architrav-Auflagerhöhe der dorischen Ordnung muß etwa 302 cm über dem Stylobat gelegen haben. Damit stimmen die Balken-
löcher in der W-Mauer von SR 2 überein4.
In Bauphase IV wurden die dorischen Säulen des Peristyls weiter verwendet, nicht aber die dorischen Kapitelle. Statt dessen wurden
unverzierte Kapitelle hergestellt und nur unsorgfältig auf die Maße der Säulentrommeln abgestimmt. Der untere Durchmesser der Ka-
pitelle ist zu groß, die Unterlager wurden z. T. nachträglich noch abgearbeitet. Entscheidend ist, daß die Kapitelle deutlich höher sind
als die zuvor versetzten dorischen Kapitelle. Das bedeutet, daß bei dem Umbau in Phase IV der Hof nicht nur wiederhergestellt wurde,
sondern die Deckung des Hofes und damit die Böden für das Obergeschoß grundlegend neu gestaltet wurden.
Die Form der zwei erhaltenen Kapitelle des Peristylhofs ist ausgesprochen ungewöhnlich. Sie entsprechen in ihren Proportionen dem
korinthischen Normalkapitell, sind allerdings um sämtliche Dekor-Elemente reduziert. Die Kapitelle bestehen also lediglich aus dem
glatten Kalathos und der Abakus-Platte und werden im Folgenden als ,Kalathos-Kapitell‘ bezeichnet.
Auffällig ist weiters, daß sich die beiden Kapitelle in ihrer Formgebung nicht gleichen. Während das Kapitell A-A 8 einen stark ge-
schwungenen Kalathos aufweist, ist jener des zweiten Kapitells A-A 7 gerade nach unten geführt. Der untere Rand wurde abgearbeitet
und nach innen abgerundet, um das untere Auflager zu verkleinern und so dem deutlich kleineren Oberlager der dorischen Säule ent-
gegen zu kommen. Dennoch ist nicht davon auszugehen, daß die Kapitelle hier in einer sekundären Verwendung standen; wahrschein-
lich ist vielmehr, daß (ungleich große) Kapitell-Rohlinge zur Verfügung standen, die man rasch in diese einfache Form ausarbeitete.
In Ermangelung jeglichen Dekors sind die Kalathos-Kapitelle des Peristyls SR 2 per se nicht datierbar5. Im Tagebuch ist vermerkt, daß
auf den Kapitellen Farbreste zu sehen waren6, die heute nicht mehr erkennbar sind. Beschrieben werden farbige, horizontale Streifen in
Übereinstimmung mit dem Dekor auf den anschließenden Wänden. Daher ist davon auszugehen, daß die Farbreste nicht als Bemalung
des Kapitells zu verstehen sind. Die Säulen wurden vielmehr zunächst freistehend mit den neuen Kapitellen aufgerichtet, erst danach
wurden die Räume SR 10 a und b abgetrennt und die Säulen mit einer Mauer verbunden. Die Bemalung der Wände wurde dabei auch
über die Kapitelle weitergeführt.
Es wurde bereits mehrfach darauf hingewiesen, daß die Umarbeitung der Wohnflächen in Bauphase IV offenbar sehr rasch vor sich
ging und daß unmittelbar im Anschluß weitere Änderungen vorgenommen wurden7. In diesem Zusammenhang ist es wahrscheinlich,
daß die Kalathos-Kapitelle als einfache, undekorierte Form rasch gefertigt wurden, um den Peristylhof SR 2 wiederherzustellen. Als
man unmittelbar danach die Räume SR 10a und SR 10b abtrennte, waren die beiden erhaltenen Kapitelle bereits auf den dorischen

1 Wiplinger, Chronologie, 72.
2 Schon Wiplinger, Chronologie, 76 f. weist daraufhin, daß die in älteren Planauf-
nahmen angegebenen acht Säulen des Peristyls nie existierten, wohl in Bauphase
IV geplant waren, aber nie zur Ausführung gelangten.
3 Vitr. 4, 3,4.
4 Vgl. Wiplinger - Rathmayr Kap. A.1.3.
Metrologische Beobachtungen und insbesondere die Auswertung der Proportionen

sind für eine zeitliche Einordnung hier abzulehnen, zumal es sich um einen außer-
gewöhnlichen Typus handelt. - Zur Auswertung der nur sehr bedingt aussagekräf-
tigen Kapitellproportionen vgl. M. Wilson Jones, Designing the Roman Corinthi-
an Capital, BSR 59, 1991, 89-150.
6 TB 20.09.1968, 14.
7 Wiplinger, Wohneinheiten 1 und 2, 81; Wiplinger, Chronologie, 76-78; vgl. Rath-
mayr Kap. A.II.4

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