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Adenstedt, Ingrid; Krinzinger, Friedrich [Hrsg.]
Hanghaus 2 in Ephesos, die Wohneinheiten 1 und 2: Baubefund, Ausstattung, Funde (Textband 1): Textband Wohneinheit 1 — Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.47151#0208
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A.VIII Wasserwirtschaftliche Einrichtungen

1 Auswertung der WE 1 und WE 2 (Taf. 451)
Bei der intensiven Auseinandersetzung mit dem Baubefund in den WE 1 und 21 konnte auch die Wasserver- und -entsorgung - erstmals
in Ephesos in einem privaten Wohnbereich - untersucht werden. Fast alle Wasserentnahmestellen innerhalb der WE waren bereits bei
der Freilegung sichtbar und sind auch heute noch erhalten. In der WE 1 sind dies: Im Vestibül SR 1 und im Peristylhof SR 22 je ein
Nymphäum mit jeweils einem Haupt- und Überlaufbecken (Taf. 24.38; 25.39; 400.3; 401.1), im Bad SR 3 eine Wanne und zwei
Labrumsnischen sowie die Latrinen SR la und SR 2a unter den Stiegenaufgängen in das OG (Taf. 32). In der WE 2 gehören dazu:
Außer einem ca. 18 m tiefen Schachtbrunnen im Peristylhof SR 22/233, ein Nymphäum mit drei Becken4 (Taf. 402.3; 403.3), im tricli-
nium SR 24 zwei Nischennymphäen5 (Taf. 357), die Latrine SR 296, ein Becken7 (Taf. 177.19) im kleinen Hof SR 27 aus der Zeit nach
der endgültigen Zerstörung und im Wirtschaftsraum SR 30 ein heute nur noch in Form eines Überlaufes erkennbares Bassin.
Die jüngsten Forschungen an der Wasserversorgung haben eindeutig nachgewiesen, daß die unteren Partien des Bülbül-Dag und somit
auch Hanghaus 1+2 durch den Degirmendere-Aquädukt mit Wasser versorgt wurden8. Diese Annahme wird durch die Ergebnisse der
Grabung für eine Drainage im Süden der WE 1 und 2, wo 1984 ein 1.0-1.2 m breiter Streifen der Hanghausstraße entlang der S-Mau-
er dieser Wohneinheiten geöffnet wurde9, bestätigt: Im Westen legte man vier, im Osten drei verschieden tief liegende Tonrohrstränge
mit Außendurchmessern zwischen 16 und 20 cm mit einem Gefälle von Westen nach Osten frei10. Ein Strang zieht vermutlich zum
Fallrohr in der SW-Ecke des Stiegenaufganges SR 2b der WE 1, welches nach einer völligen Umgestaltung der Wasserzuleitung in
Bauphase IV’ die Hauptzuleitung zur WE 1 bildete. Die restlichen drei Rohre bogen im Osten unter dem Pflaster der STG 1 nach Nor-
den11 und brachten zusätzlich mit zwei aus SW kommenden Strängen12 das Wasser in die WE 1, 4 und 6.
Die Wasserversorgung aus dem öffentlichen Leitungsnetz erfolgte also allgemein über die steil den Berg hinaufführenden und die in-
sulae trennenden Stiegengassen. Die Hauptzuleitungsrohre befinden sich in der Aufschüttung zwischen Gassenbelag und den Gewölben
der Hauptabwasserkanäle, wobei jede WE ihren eigenen Rohrstrang hatte. WE 1 hatte einen zweiten Strang mit geringerem Durchmes-
ser, der ab Bauphase IV der Versorgung des Nymphäums im Vestibül SR 1 diente.
In der WE 1 ist die Wasserver- und -entsorgung aufgrund größerer Umbaumaßnahmen und der Hebung von Bodenniveaus wesentlich
komplizierter als in der WE 2, da hier sowohl die Rohrstränge der Zuleitung als auch die Abwasserkanäle und die Entnahmestellen in
verschiedenen Bauphasen angelegt, verändert und umgebaut, stillgelegt und erneuert wurden. Unter den Böden der Räume der WE ist
ein weitläufiges und kompliziertes Netz von Wasserzuleitungen und Abwasserkanälen festzustellen, das zum Teil bereits während der
Freilegung in den Jahren 1967 und 1968 in der WE 1 und 1969 in der WE 2 - einerseits durch Abtragen der Lehmböden in SR 4, SR 8,
SR 5b, SR 5d, andererseits durch tiefe Grabungen-, zum Teil erst später bei den Fundamentgrabungen für das Dach über der WE 1 in
den Jahren 1978 und 1979 und im Zuge von gezielten Nachgrabungen in den Jahren 1983, 1996 und 1997 freigelegt wurde.
In beiden WE konnte beobachtet werden, daß die Wasserentsorgung in allen Bauphasen ausschließlich über verschieden dimensionier-
te, gemauerte Kanäle und die Wasserzuleitung prinzipiell in Mauern und unter Böden verlegten, gebrannten Tonrohren verschiedener
Durchmesser erfolgte, wobei das letzte Stück der Steigleitung aus dem Boden bis zum Wasseraustritt zumindest an vier Stellen in Form
einer Bleirohrleitung nachgewiesen werden konnte. Außer der Entsorgung des in die Nymphäen, die Latrinen und in das Bad SR 3 der
WE 1 eingeleiteten Wassers, wurde auch das Regenwasser aus den Höfen in die Kanäle abgeführt und nicht in Zisternen gespeichert.
Dies und die Tatsache, daß an keiner Wasseraustrittsstelle ein Hinweis auf eine Vorrichtung zur Absperrung des Wassers entdeckt wer-
den konnte - vermutlich ist mit Ausnahme einer Unterbrechung des Zuflusses außerhalb der WE ständig Wasser geflossen -, führt zu
der Annahme, daß in allen Bauphasen Wasser in ausreichenden Mengen vorhanden war. In WE 1 konnte außer der Ableitung des Nutz-
und des Regenwassers noch ein dritter Fall der Wasserableitung entdeckt werden: Südlich der GEW A und B wurde das Hangwasser in
Form einer Drainage in die Kanäle innerhalb der WE eingeleitet und abgeführt.
In der WE 1 konnte ein interessantes Detail beobachtet werden: An drei Stellen wurden bei der Anlage von neuen Abwassersträngen
die älteren Kanäle nicht durch Abmauerung aufgelassen, sondern sorgfältige Kreuzungen als Verbindung von alten mit neuen Kanäle
hergestellt. Da es sich bei allen drei Kreuzungen um die Ableitung des Regenwassers handelte, war deren Zweck vermutlich die Schaf-
fung von unterirdischem Speicherraum für erhöhten Wasseranfall bei starkem Regen.

1 Der Verfasser dieses Beitrages war von 1995 bis 2000 intensiv mit der Bearbeitung
des Baubefundes der WE 1 und 2 beschäftigt, hatte das Manuskript bis auf weni-
ge Überarbeitungen fertiggestellt, mußte dann aber aus gesundheitlichen Gründen
auf weitere Arbeiten im Hanghaus und an der Publikation verzichten, so daß hier
nur der Beitrag über die Wasserver- und -entsorgung dieser beiden Wohneinheiten
erscheint.
2 Vetters, Ephesos 1981, Taf. XVIII/1. 2.
3 Jobst, Mosaiken, Abb. 93: In der N-Hälfte der Hofachse ist die Fassung des
Schachtbrunnens mit Deckel zu sehen.
4 Jobst, Mosaiken, Abb. 93. 103; Wiplinger - Rathmayr Kap. A.1.1; Rathmayr Kap.
A.II.2.3.
5 Jobst, Mosaiken, Abb. 158. 159; Vetters, Ephesos 1984-85, Taf. XXXV; G.
Wiplinger - G. Wlach, Ephesos 100 Jahre österreichische Forschungen (1995)
133, Abb. 181.

6 Strocka, Wandmalerei, Abb. 179.
7 Strocka, Wandmalerei, Abb. 177.
8 G. Wiplinger, Wasser für Ephesos, in: G. Wiplinger (Hrsg.), Cura aquarum in
Ephesus (2006) 30-34.
9 Die Grabung wurde von M. Karawokyros und U. Outschar betreut. Von der
Dokumentation sind Grundrißskizzen in-7 Teilen auf 3 Blättern (vom 31.07. und
01.08.1984) erhalten; dazu Outschar, Baugeschichte.
10 Im mittleren Bereich der Hanghausstraße sind in der Skizze die Rohre nicht ein-
getragen, da sie vermutlich in dem noch nicht freigelegten Bereich südlich des
unter der Hanghausstraße von W nach O laufenden Abwasserkanals liegen.
11 In der Skizze kann dies zumindest für zwei Stränge nachgewiesen werden.
12 Auch diese zwei Stränge sind in der Skizze angedeutet.

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