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Adenstedt, Ingrid; Krinzinger, Friedrich [Hrsg.]
Hanghaus 2 in Ephesos, die Wohneinheiten 1 und 2: Baubefund, Ausstattung, Funde (Textband 1): Textband Wohneinheit 1 — Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.47151#0444
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Das Hanghaus 2 liegt im Zentrum von Ephesos und zählt
zu den am besten erhaltenen kaiserzeitlichen Wohn-
komplexen im östlichen Mittelmeerraum. Die sieben unter-
schiedlich großen Wohneinheiten, von denen jede zumin-
dest über ein Obergeschoß verfügte, liegen auf großzügigen
späthellenistischen Terrassierungen südlich der Kureten-
straße und erschließen sich über schmale Stiegengassen, die
dem städtischen Straßenraster entsprechen.
Die archäologischen Untersuchungen des Hanghauses 2 seit
den 1960er Jahren haben zu einem differenzierten Bild von
der Wohnkultur der ephesischen Eliten von der Errichtung
in augusteisch-tiberischer Zeit bis zur Erdbebenzerstörung
im 3. Viertel des 3. Jahrhunderts n. Chr. geführt. Die auf-
wendige Konservierung der Ruinen unter einem modernen
Schutzdach macht diese Ergebnisse auch für den Besucher
nachvollziehbar. Mit dieser Arbeit liegen nun nach dem
Erscheinen der Wohneinheit 4 (2005) drei der sieben
Wohneinheiten in einheitlicher Publikation vor, die Ver-
öffentlichungen der weiteren Wohneinheiten schreiten zügig
voran.
Die hier behandelten Wohneinheiten 1 und 2 nehmen die
oberste Terrasse des Hanghauses 2 ein. Während die Erdge-
schoße über die steil ansteigenden Stiegengassen 1 und 3
erschlossen wurden, waren die Obergeschoße neben Innen-
treppen auch über die im Süden entlang führende sog. Hang-
hausstraße zu betreten. In den Randzonen der Wohneinhei-
ten lagen die Wirtschaftsbereiche, die hier eine direkte
Anbindung an die Wasserversorgung und die Kanäle besa-
ßen. Die Haupträume öffneten sich in zwei Stockwerken auf
die Innenhöfe, durch welche eine gute Belichtung und
Belüftung garantiert war.
Im Verlauf der ca. 250 Jahre dauernden Nutzung der Wohn-
einheiten I und 2 als Wohnquartiere der städtischen Ober-
schicht, deren neu erarbeitetes chronologisches Gerüst hier
erstmals geschlossen dargestellt ist, kam es in den beiden
Peristylhäusern mehrfach zu Umbauten, die auf Besitz- und
Funktionswechsel einzelner Raumgruppen hindeuten. Der
Reichtum der Bewohner spiegelt sich in der mehrfach er-
neuerten prachtvollen Ausstattung der Repräsentations-
räume im Erdgeschoß und Obergeschoß. Die qualitätvollen
Wandmalereien, die zahlreichen Mosaikböden, die Glas-
mosaike in der Wohneinheit 2 und die kostbaren Marmor-
Inkrustationen sind von besonderer Bedeutung für die Kul-

turgeschichte des antiken Wohnbaus. Darüber hinaus blie-
ben wesentliche Teile der beweglichen Ausstattung erhalten,
so etwa Skulpturen, darunter die Elfenbeinfunde aus dem
Raum SR 18 der Wohneinheit 2, Möbel, Kleinfunde sowie
Tafelgeschirr aus Keramik und Glas, die hier im Kontext
dargestellt werden. Einen tiefen Einblick ins Alltagsleben
gewähren auch die auf sehr vielen Wandmalereien eingeritz-
ten Graffiti, die etwa Haushaltsabrechnungen darstellen und
im Falle der Wohneinheit 2 wahrscheinlich sogar den Besit-
zer überliefern: C. Vibius Salutaris gehörte dem Ritterstand
an und hatte es in Ephesos zu Einfluß und Reichtum ge-
bracht. Bekannt ist vor allem die von ihm eingerichtete
Stiftung, in der unter anderem auch bestimmt war, daß Sil-
berstatuetten des Traian und seiner Frau Plotina in seinem
Privathaus kultisch zu verehren seien. Er starb kinderlos, um
die Hinterlassenschaft kümmerten sich die in der Stiftungs-
inschrift genannten Erben. Die nur in geringem Maße fest-
zustellenden Umbauten der Wohneinheit 2 sowie das jüng-
ste Inventar dieses Hauses sind wohl darauf zurückzuführen,
daß die Erben das Haus weitgehend so belassen hatten, wie
sie es von Vibius Salutaris übernommen hatten. Im Gegen-
satz dazu fanden in der Wohneinheit 1 in severischer Zeit
größere Umbauten statt: So wurden vier der Haupträume
von der Wohneinheit 1 an die Wohneinheit 2 angegliedert,
die seit flavisch-traianischer Zeit existierende kleine Bade-
anlage renoviert und das obere Stockwerk offensichtlich als
„Kondominium“ benutzt oder vermietet.
Neben den Funden aus dem Zerstörungsschutt umfaßt diese
Publikation auch all jene Objekte, die bei den Grabungen
unter den Böden der letzten Bauphase zu Tage kamen. Die-
se liefern Einblicke in die Ausstattungen der Wohneinheiten
vor der letzten Nutzungsphase. So läßt etwa die geschlosse-
ne Auswertung der Tier- und Fischknochen interessante
Aussagen zu den Emährungsgewohnheiten der Bewohner
von hellenistischer Zeit bis ins 3. Jahrhundert n. Chr. zu.
Nach der Zerstörung durch ein Erdbeben im 3. Viertel des
3. Jahrhunderts n. Chr. wurden die Häuser nicht wieder
aufgebaut, gewisse Bereiche aber in der Spätantike partiell
weiter genutzt. In frühbyzantinischer Zeit hat man auch
diese einfache Nutzung aufgegeben und über der Westseite
des Hanghauses 2 eine Reihe von Mühlen eingerichtet, die
durch das offensichtlich noch vorhandene Wasser aus den
Überlandwasserleitungen betrieben wurden.

9 783700 139447

ISBN 978-3-7001-3944-7
 
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