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Adenstedt, Ingrid; Krinzinger, Friedrich [Hrsg.]
Hanghaus 2 in Ephesos, die Wohneinheiten 1 und 2: Baubefund, Ausstattung, Funde (Textband 1): Textband Wohneinheit 1 — Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.47151#0429
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A.XIX Auswertung

1 Haustypus und Raumfunktionen (Taf. 496)
Bei der WE 1 handelte es sich seit der Errichtung in der frühen Kaiserzeit (Bauphase I) um ein Peristylhaus1 (Taf. 380). Um einen
zentralen Peristylhof mit vier unterschiedlich tiefen Umgängen2 waren an der W-, O- und N-Seite Räume gruppiert. An der S-Seite stand
gegen den Hang gebaut eine Terrassenmauer. Ein Haupteingang wird von der im Osten entlang der WE in N-S Richtung vorbeiführen-
den Stiegengasse 1 im Bereich des erst in Bauphase TI eingebauten Bades SR 3 rekonstruiert3; eventuell war hier analog zur WE 2 ein
zweiter kleinerer Hof vorhanden4. Ein weiterer Eingang von dieser Gasse bestand sehr wahrscheinlich in deren nördlichstem Teil als
Zugang zu den tiefer gelegenen SR 5-Räumen, die wahrscheinlich schon in Bauphase I als Wirtschaftsbereich anzusprechen sind. Analog
zu den bekannten Eingangssituationen in anderen Peristylhäusern ist demnach ein Haupteingang, der mehr oder weniger direkt in den
Peristylhof führte, anzunehmen5. Über einen in diesen Parallelen vorhandenen zweiten Eingang waren die Wirtschaftsbereiche zugäng-
lich, weshalb dieser als Neben- oder Personaleingang anzusehen ist. Ein weiterer Eingang ist von der Hanghausstraße über ein schon
in Bauphase I vorauszusetzendes OG zu rekonstruieren6.
In Bauphase I besaß die WE 1 mindestens vier Haupträume7 (SR 1/6, SR 11/12, SR 15/18, SR 8/14), die U-förmig um den Peristylhof
angeordnet waren8. Von den Haupträumen sind SR 1/6 und SR 8/14 aufgrund ihrer Größe, Lage am Hof und teilweise noch erhaltenen
Ausstattung9 als die repräsentativen Bereiche anzusprechen, in denen Gäste empfangen und bewirtet wurden10. Aufgrund ihrer Größe,
Lage am Peristylhof und breiten Türöffnung, die eine gute Belichtung gewährleistete, sind SR 8/14 und SR 1/6 mit dem oecus maior
der hellenistischen Peristylhäuser gleichzusetzen11. SR 8/14 liegt wie viele solcher Säle am breiteren N-Umgang des Hofes12 (Taf. 299;
302.2). SR 1/6 übersteigt mit einer Fläche von ca. 56 m2 die durchschnittliche Größe des oecus maior und wird, wie vergleichbare
Großräume in den Peristylhäusern von Pergamon, als Saal bezeichnet. Letztere haben eine Fläche zwischen 43 bis 155 m2, sind immer
an der W- oder O-Seite des Peristylhofes gruppiert und weisen eine Grundfläche auf, die einem Quadrat angenähert ist13. Viele befinden
sich in der Nähe der Eingänge und Wirtschaftsräume, wobei ihre Funktion als Gelageräume die Anbindung zum Küchentrakt notwendig
macht. Bei einigen ist durch eine Pfeilerstellung im Raum auch eine Differenzierung in zwei Bereiche festzustellen, von denen einer
als Art Vestibül, der andere als Ort für Gelage interpretiert wird14. Alle diese Merkmale sind auch beim SR 1/6 zu beobachten15, als
Reste von Pfeilern werden die beiden Einbauten in der Mitte des Raumes interpretiert (Taf. 380). Auch war infolge des Fehlens einer
einheitlichen Flucht der O-Mauer mit dem in den Raum hineinreichenden Mauervorsprung eine Gliederung in einen südlichen und
einen nördlichen Bereich gegeben, wobei sich diese Aufgliederung auch in der Bodenausstattung spiegelt: In beiden Bereichen war ein
O-W orientierter Mosaikteppich verlegt, zwischen den rekonstruierten Stützen sowie zwischen der rekonstruierten mittleren Pfeilerstellung
und dem Mauervorsprung im Osten quadratische Mosaikfelder16. Diese durch Architektur und Bodendekoration geschaffene Situation
ergibt für den nördlichen Raumteil die Funktion eines Durchgangsbereichs, der südliche und die nischenartige Erweiterung im nördlichen
Raumteil17 bieten sich als Orte für Gelage an.
SR 11/12 und SR 15/18 weisen langrechteckige Grundrisse mit einem Zugang von einer der Hallen des Hofes auf. Sie kommen auch
in anderen WE im H 2 vor, jedoch erst in späteren Bauphasen (Taf. 299; 301)18. Der Grundriß dieser Räume weicht deutlich von jenem

1 Zu diesem Haustypus im Osten s. Hoepfner - Schwandner, Haus und Stadt,
295-297; Hoepfner, Wohnen, 515-517; Trümper, Delos; Wulf, Stadtgrabung,
162 f. (Tab. der Peristylhäuser von Pergamon mit Angabe zu deren Datierung,
Grundfläche, Peristylumgängen, Raumanordnung, Zugänge, OG); Lang-Auinger,
Hanghaus 1; zur WE 4 im H 2 s. Thür, WE 4, 96-101.
2 Die N- und die S-Portikus sind tiefer als die W- und die O-Portikus; eine auffälli-
ge Verbreiterung einer Halle wie sie viele Peristylhäuser, etwa auch die WE 2 im
H 2, aufweisen, ist hier jedoch nicht zu beobachten, s. Trümper, Delos, 42; Wulf,
Stadtgrabung, 181: Die der Dreiraumgruppe vorgelagerte Halle ist deutlich tiefer;
zur WE 2 s. Rathmayr Kap. B.XIX.2.1.
3 Auch Wiplinger, Neue Untersuchungen, 522 nimmt auf der Fläche von SR 3 in
Bauphase I ein Vestibül an.
4 Eventuell verfügte auch die WE 3/5 in Bauphase I über zwei Peristylhöfe oder es
handelte sich schon in Bauphase I um zwei getrennte Peristylhäuser, s. Adenstedt,
Wohneinheiten.
5 Wulf, Stadtgrabung, 175; Trümper, Delos, 35-37; Thebert, Domestic Architectu-
re, 353; für das H 2 vgl. alle anderen WE (Taf. 299); zur WE 2 s. Rathmayr
Kap. B.XIX; zur WE 4 s. Thür, 96-101 Taf. 70.2. 71. 75. 80. 82; vgl. auch das
späthellenistische Peristylhaus auf der Fläche des H 1, wo der Haupteingang von
der STG 1 direkt in den N-Umgang des Peristylhofes führte, s. Lang-Auinger,
Hanghaus 1, 183.
6 Auch Parrish, Architectural design, 143 Anm. 6 und Ladstätter, Hanghaus 2, 38
sehen in dieser Treppe neben einem Aufgang ins OG eine Zugangsmöglichkeit von
der Hanghausstraße.
Als Haupträume werden die Wohn- und RepräsentationsräumeZ-bereiche bezeich-
net, als Nebenräume die Wirtschaftsräume (Küchen, Vorratsräume, Heizräume etc.)
und Latrinen.
Auch bei vielen Peristylhäusern in Pergamon gruppierten sich die Räume U-förmig
um den Hof, und auch hier fehlt eine Raumreihe an der S-Seite, s. Wulf, Stadt-
grabung, 182.
In SR 1/6 verwendete man den Mosaikboden aus Bauphase I bis zur Zerstörung

des FI 2, von einem im SR 8/14 verlegten Mosaikboden waren bei der Freilegung
noch Reste erhalten, s. Scheibelreiter Kap. A.VI.3; A.VI.5.
10 Vgl. z. B. das triclinium SR 24, das ebenfalls an der N-Seite des Peristylhofes der
WE 2 liegt, s. Rathmayr Kap. B.XIX.2.1.
11 Zum oecus maior s. Hoepfner, Wohnen, 516: Fast immer an N-Seite; Trümper,
Delos, 59 f. 83: Ranghöhere Räume, meist im nördlichen Bereich eines Hauses,
aber nicht immer, vgl. z. B. den oecus maior in der Maison du Diadumene, in der
Maison de l’Hermes oder im Maison de ITnopos, wo dieser Raum wie SR 8/14
eine ganze Seite des Hofes einnimmt, s. Abb. 11. 31. 34 bei Trümper, Delos.
12 Vgl. für das H 2 die WE 2, wo an der wesentlich breiteren N-Halle des Peristyl-
hofes SR 22/23 die Haupträume liegen, s. Rathmayr Kap. B.XIX.2.1; für das H 1
das späthellenistische Peristylhaus auf der Fläche des H 1, dessen Peristylhof
ebenfalls einen breiteren Umgang an seiner N-Seite besitzt, an dem die Haupträu-
me rekonstruiert werden, s. Lang-Auinger, Hanghaus 1, 183.
13 Wulf, Stadtgrabung, 178 f. Abb. 73. 74 (Peristylhaus unter Hestia Heiligtum,
Peristylhaus nördlich Hestia Heiligtum, Kleines Peristylhaus zwischen O- und
Mittelgasse).
14 Wulf, Stadtgrabung, 178 f.: Diese Großräume werden dadurch ausgezeichnet, daß
sie über viele Türen/Fenster verfügen; die Türen führen aber nicht nach Außen,
sondern stellen Verbindungen zum Hof und zu Annexräumen dar; s. auch Trümper,
Delos, 83; vgl. die Casa del Fauno, wo der östliche Teil des triclinium 35 auch als
Durchgangsbereich vom Atrium 27 ins Peristyl 36 benutzt wurde, s. Dickmann,
Domus 152 Taf. 3b.
15 s. u.
16 Scheibelreiter Kap. A.VI.3.
1 Da dieser Bereich ca. 3.60 (O) x 2.60 (S) x 4 (N) m mißt, können Klinen mit einer
Größe von ca. 2.30 x 1.20 m aufgestellt gewesen sein; zur unterschiedlichen Grö-
ße von Klinen, Foss, Kitchens, 108 f.
18 Vgl. SR 19/20 der WE 2, der ab Bauphase IV diesen Raumschnitt hatte, s. Rath-
mayr Kap. B.XIX.2.1; sowie Raum 7 („Sokrateszimmer“) der WE 4, der ab Bau-
phase III diesen Grundriß aufweist, s. Thür, WE 4, 98 f. Taf. 75.1.

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