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Adenstedt, Ingrid; Krinzinger, Friedrich [Hrsg.]
Hanghaus 2 in Ephesos, die Wohneinheiten 1 und 2: Baubefund, Ausstattung, Funde (Textband 1): Textband Wohneinheit 1 — Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.47151#0133
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A.II Rekonstruktion der Bauphasen

A.IL1 Hellenistische Bebauung
Die ältesten Befunde im Bereich der WE 1 sind zweifellos jene spätklassischen Gräber, die 1984 bei Grabungen unter der Hanghaus-
straße entdeckt wurden. Die Beigaben datieren die Körperbestattungen in das frühe 4. Jh. v. Chr. und belegen somit nicht zuletzt eine
funeral-sakrale Nutzung des Areals1. Weitere archaische bzw. klassische Streufunde mögen wohl ursprünglich gleichen Kontexten ent-
stammen und sind Zeugnisse für eine frühe Begräbnisstätte am Nordhang des Bülbül-Dag2.
Die hellenistische Bebauung bzw. Nutzung unter den WE 1 und 2 setzt Geländebegradigungen und den Bau von Terrassenmauem vor-
aus (Taf. 3.1). Gerade zwischen WE 1 und der nördlich davon gelegenen WE 4 ist ein gewaltiger Geländesprung zu beobachten, der
künstlich bearbeitet werden mußte, bevor man eine massive, W-0 verlaufende Quadermauer zur Stabilisierung der Siedlungs- bzw.
Wohnterrassen errichtete3. Der Zeitpunkt dieser Arbeiten ist mangels datierender Fundkomplexe kaum näher zu bestimmen, sieht man
von einem kleinen Keramikensemble ab, das 1978 anläßlich von Fundamentgrabungen für den älteren Schutzbau geborgen wurde4. Die
methodischen Unzulänglichkeiten bei der Bergung sowie die Kleinheit des Komplexes schränken zwar dessen Aussagekraft stark ein,
nichts desto trotz scheinen die Terrassierungen des Bülbül-Dag-Nordhanges im Bereich des H 2 nicht vor der 1. Hälfte des 2. Jhs. v. Chr.
eingesetzt zu haben5. Bereits um die Jahrhundertmitte bildete das Gehniveau der südlichsten Terrasse, auf der später die WE 1 und 2
standen, praktisch eine Ebene, wie aus den erhaltenen hellenistischen Gehniveaus abzulesen ist. Zwischen den im äußersten Westen
(SR 30) gelegenen hellenistischen Befunden und den östlichsten in SR 7 ist lediglich ein Höhenunterschied von 0.63 m zu konstatieren6.
Über dem natürlich anstehenden Felsen lag in allen ergrabenen Flächen kompakter, harter Lehm, der als Ausgleichsschicht zwischen
der unregelmäßigen Felsoberkante und dem Geh- und Nutzungsniveau aufgebracht wurde. Hellenistische Kulturschichten ließen sich
in beinahe allen Grabungsflächen der WE 1 nachweisen, sieht man von den Räumen SR 3, SR 4 und SR 5a-c ab, wo durch spätere
tiefgreifende Baumaßnahmen die älteren Schichten abgetragen und entfernt wurden. Umgelagerte hellenistische Streufunde in jüngeren
Schichten dieser Räume legen davon Zeugnis ab7.
Zeitlich nicht näher einzugrenzen ist ein U-förmiger Mauerrest in SR 2, der 1.1m unter Hof 1 aufgedeckt wurde (Taf. 15.3)8. Ursprünglich
als „ältester Peristylhof4 interpretiert und folglich mit Bauphase I in Verbindung gebracht, dürfte der Befund wohl eher aus einer Phase
der Vorbebauung stammen, wobei nicht auszuschließen ist, daß es sich um eine Hoffundamentierung handelt. Die in das beginnende 1.
Jh. n. Chr. weisenden keramischen Funde in der Verfüllung9 und die enormen Niveausprünge lassen eine Zuordnung der Mauerzüge zu
Bauphase I jedoch höchst unwahrscheinlich erscheinen. Die drei, bis zu einer Höhe von durchschnittlich 50 cm erhaltenen Mauerzüge
sitzen direkt auf dem eingeebneten Felsen auf, daran anschließende Gehniveaus wurden nicht beobachtet. Innerhalb des Gevierts, in einer
Erdaufschüttung geborgenes Fundmaterial gibt daher einen terminus post quem für Hof 1 (frühes 1. Jh. n. Chr.), nicht aber für diese älte-
sten Baureste. Schlußendlich muß eine schlüssige Interpretation des Befundes in SR 2 offen gelassen werden, nicht zuletzt weil anläßlich
der Freilegungsarbeiten eine archäologische Dokumentation sowie eine Bergung des Fundmaterials nach stratifikatorischen Kriterien ver-
absäumt wurden10. Zudem liegen keine Fundkomplexe vor, die Datierungshinweise auf diese ältesten Mauerzüge geben würden.
Leichter auswertbar sind dagegen jene hellenistischen Befunde, die anläßlich von Grabungen 198611 bzw. 199612 unter den nördlich an
den Hof anschließenden Räumen SR 7 (Taf. 4-7), SR 8 (Taf. 8-10) und SR 18 (Taf. 11-12) zu Tage traten. Hier konnten insgesamt
fünf Öfen vom Tannur-Typ sowie ungestörte hellenistische Planierstraten aufgedeckt werden13.
Ofen 1 (Taf. 4.2) mit einer PlattenOK von 32.84 m liegt im östlichen Bereich von SR 7 und wurde bereits in der Antike durch spätere
Baumaßnahmen stark gestört. Sowohl die Errichtung der westlich anschließenden Mauer als auch jene der O-Mauer von SR 7 beding-
te eine beinahe vollständige Zerstörung der Ofenkonstruktion (Taf. 5.4). Durch Planierarbeiten im Norden wurden auch hier die Wand
und die Bodenplatten abgetragen (Taf. 5.5). Erhalten haben sich somit lediglich geringe Reste der bis zu 12 cm hohen Ofenwand im
Süden sowie vier im Norden daran anschließende Bodenplatten (Taf. 6.7-8). Sie sind in ein fundführendes, 26 cm starkes Lehmstratum
eingebettet, dessen Fundmaterial einen terminus post quem für die Ofenerrichtung zwischen 170 und 130 v. Chr. liefert14. Trotz des
fragmentarischen Erhaltungszustandes des Objekts konnten im Ofenbereich selbst als auch in der direkten Umgebung 169 Miniaturge-

1 Die Gräber sind bislang unpubliziert, s. dazu allgemein Outschar, Baugeschichte.
2 s. Ladstätter, WE 4, K 354 (Bestimmung: M. Kerschner).
3 Zur Beschreibung der Terrassenmauer siehe Thür, WE 4, Kap. III.3.
4 s. Ladstätter Kap. A.X, Fundkomplex A-H/l.
Ob es sich dabei um eine Terrassierung des gesamten Areals im Zuge einer städ-
teplanerischen Neuorganisation der Stadt Ephesos handelt oder um eine punktuel-
le Einzelmaßnahme kann derzeit nicht gesagt werden. Untersuchungen unter
Raum 25 der WE 5 erbrachten den Nachweis, daß im Zuge der hellenistischen
Terrassierungsmaßnahmen meterhohe Aufschüttungen notwendig waren, die Fund-
material des ausgehenden 3./frühen 2. Jhs. v. Chr. enthielten; s. dazu: S. Ladstät-
ter - A. Galik - D. Iro - M. Pfisterer - E. Rathmayr - V. Scheibelreiter -
H. Schwaiger - M. Teichmann, Die Grabungen des Jahres 2004 im Hanghaus 2 in
Ephesos, ÖJh 74, 2005, 247-276. Die zeitliche Einordnung dieser Baumaßnahmen
ist auch in Hinblick auf die städtebauliche Entwicklung von Ephesos nicht uner-
heblich, geht man doch allgemein von einer systematischen Planung der Stadt in
der Zeit des Lysimachos aus (s. dazu insbesondere P. Scherrer, The historical
topography of Ephesos, in: D. Parrish (Hrsg.), Urbanism in Western Asia Minor,

JRA Suppl. 45 (2001) 57-87 bes. 61-68 und St. Groh, Topographie der Oberstadt
von Ephesos. Vorbericht über das Projektjahr 2000, ÖJh 70, 2001,21-33 bes. 23).
Die ergrabenen Befunde unter dem H 2 lassen zumindest Zweifel an der vollstän-
digen Umsetzung dieser Planungen aufkommen.
6 Ofen 1/SR 7: 32.84 m; Ofen 2/SR 7: 32.85 m; Ofen 3/SR 8: 32.97 m; Ofen 6/
SR 30: 33.47 m.
7 Ladstätter Kap. A.X, A-K 162.
8 Rathmayr Kap. A.II.2.1.
9 Ladstätter Kap. A.X, Fundkomplex A-BI/1.
1(1 Für eine Auswertung stehen lediglich Fotos und Planzeichnungen zur Verfügung. Das
Fundmaterial wurde mit der Bezeichnung „unter ältestem Hof ‘ gekennzeichnet.
11 Durchgeführt von U. Outschar.
12 Durchgeführt von Verf. s. dazu die Vorberichte: Schretter, Wohneinheit 1; Lad-
stätter, Wohneinheit 2; Ladstätter, Chronologie, 33.
13 Sauer - Ladstätter Kap. II. 1.2.
14 Ladstätter - Lang-Auinger, Apollon Kitharodos-Statuette; Ladstätter Kap. A.X,
Fundkomplex A-H/2.

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