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Galerie Fischer <Luzern> [Editor]
Auktion / Galerie Fischer: Schweizerische und französische antike Möbel, Tapisserien und Stickereien 16. und 17. Jahrhundert, Seide, Brokate, Damaste, Orientteppiche, Rüstungen und Waffen, ...: Bilder alter Meister - aus schweizerischem Schlossbesitz, aus altem Basler Familienbesitz und anderer Provenienz ; 21. bis 23. August 1930 — Luzern, Nr. 23.1930

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.8542#0028
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191. Flandrische Tapisserie des 17. Jahrhunderts. Gewebe aus Wolle und Seide in ver-
schiedenen Farben, vorherrschend blau, grün, grau. Darstellung: Tod der Lukretia. Rechts
und links aussen Figuren. Bordüre: Blumen- und Früchtegirlande. H. 300, B. 302 cm.

192. Berner Allianzteppich, handgestickt, frühes 17. Jahrh. In der Mitte ein Rund-
medaillon mit Vermählungsszene. Links der Herr mit Barett und kurzem Mantel, rechts
die Dame, in der Mitte der Priester, der seine Hand auf die vereinten Hände des Paares
legt. Oben die Inschrift: «Was zusammengefüget Gott, soll niemand scheiden als der Tod».
Das Mittelmedaillon ist umrandet von blumengeschmücktem Blattkranz, ebenso sind dies
die vier kleinern Medaillons, die das mittlere umrahmen. Ihre Darstellungen haben Bezug
auf die Ehe (Adam und Eva, Hochzeitsmal, Rückkehr aus dem Krieg, Frömmigkeit, die
dem Teufel wehrt.) In den Zwickeln Blumen und Vögel in grosser Zahl. Die fünf Me-
daillons bilden die Mitte des Teppichs, der eine breite, reich figurierte Bordüre hat; auf
jeder Seite sieht man, zwischen Blumenranken, je drei biblische Frauengestalten, mit Le-
gendenband in Kopf höhe, z. B.: Sara die gesägnete — Lea die geduldige — Abigael die
vernünftige; in den Ecken sind die vier Evangelisten, auch Blumen und Ranken. Die Haupt-
farben des Teppichs, rot und blau, sind von voller Leuchtkraft, der sich die feinen grün,
gelb, weisslich wohl einfügen. Die als Tischteppich gedachte Stickerei weist links und
rechts vom Mittelmedaillon die Allianzwappen auf. Der Teppich galt der Allianz Ursula
Wurstemberger mit H. R. Wagner von Bern.

Hans Rudolf Wagner geb. 1584, des Grossen Rats 1610, Landvogt zu Nyon (Neus) 1613—1619, Haupt-
mann in Savoyen 1617, in Bünden 1620, kam 1620 bei Tirano um. Verheiratet 1609 mit Ursula Wurstem-
berger, Tochter des Hans Rudolf W. Landvogtes in Lausanne 1594—1600, gest. 1605. Die Tochter heiratete
nach dem Tode des ersten Ehemannes den J. F. von Bonstetten.

(v. Werdt'sche Stammtafeln d. Stadtbibliothek Bern).
Siehe die Abbildung Tafel XVI. Grösse 196x156 cm.

193. Bildteppich aus Tournai, Westflandern, um ijij, mit Szenen aus der Oktovians-
sage. Wolle und Seide, gewirkt.

Der Kaiser Oktavian hatte seine Frau mit ihren Zwillingen zu Unrecht Verstössen. Der Sohn Lion wurde
in Jerusalem bei seiner Mutter erzogen, der Sohn Florens in Paris. Beide wurden heldenhafte Ritter. Der
Kaiser bereute seine Sünde und sehnte sich nach seinen Söhnen. Als Paris von den Heiden und Sarazenen
belagert wurde, zog Oktavian mit einem Heer zu Hilfe; dort begegnete ihm Florens, der wegen Helden-
taten der Stabträger des Königs Dagobert geworden war. Der obere Bildteil des Teppichs zeigt die Be-
gegnung des Kaisers (mit Reichsapfel und Bügelkrone) mit dem Stab tragenden Sohn Florens. — In einer
Schlacht vor Paris werden Oktavian und Florens von den Heiden gefangen und in schweren Fesseln mit-
geführt, als der Sultan von Paris sich zurückziehen muss. — Lion, im Dienste des Königs von Akkon aus-
gezeichnet, war inzwischen mit Hilfstruppen für den König Dagobert nach Frankreich gezogen, seine Mutter,
die verbannte römische Kaiserin, mit ihm. Unterwegs besiegt er den fliehenden Sultan und befreit die
Gefangenen Oktavian und Florens, erkennt seinen Vater und führt ihn zur Mutter. Oktavian, noch in den
Fesseln der Heiden, bittet kniend die Kaiserin um Verzeihung, erhält sie; Florens wird durch die Zwil-
lingsähnlichkeit als Kaisersohn anerkannt. Versöhnung und Freude, gemeinsame Rückkehr nach Rom. Der
Jüngling im untern Bilde ist Lion, der seiner Mutter den Reichsapfel überreicht, weil sie nun wieder
anerkannte Kaiserin von Rom geworden ist.

Diese von Herrn Geheimrat Otto von Falke gütigst gegebene Deutung des Bildteppichs ergibt dessen
Einreihung in die Serie der Oktavian-Teppiche, die in fürstlichen Inventaren des 15. Jahrhunderts oft
erwähnt werden; die Sage und die Teppiche nennen den Kaiser Augustus immer Oktavian; dessen Begeg-
nung mit der Tiburtinischen Sibylle, die ihm die künftige Geburt Christi ankündigt, ist der bekannteste Teil
der Sage, z. B. auf einem Sibyllenteppich im Cluny abgebildet; die häufigere Gruppe Oktavian und Si-
bylle hat dem Cartonnier des vorliegenden Teppichs als Vorbild für die Versöhnungsgruppe gedient.

Die Bordüre mit den Blumen in wechselnden Quadraten und Rechtecken kommt in Tournai-Teppichen
um ijio—1520 öfters vor. Die Gesichter sind kräftiger und lebendiger als auf gleichzeitigen Brüsseler Tep-
pichen. O. von Falke bestimmt diesen Wandbehang auf Tournai und die Zeit von 1515.

Die kräftigen Farben sind auf Rot, Blau, Grün und feine Zwischentöne abgestimmt. Herkunft: Comte
de Montbrison, Chäteau St. Roc. Veröffentlichung durch O. von Falke im Juliheft des «Pantheon» 1930.
Siehe die Abbildung Tafel XVII. H. 400, B. 29J cm einschliesslich der Bordüre von 22,3 cm Breite.

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