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Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte in Württemberg und Hohenzollern [Editor]; Württembergischer Altertumsverein [Editor]; Württembergischer Anthropologischer Verein [Editor]; Württembergischer Geschichts- und Altertumsverein [Editor]
Fundberichte aus Schwaben — N.F. 8.1935

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Mittlere Steinzeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.57656#0029
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21

Mittlere Steinzeit.
Wenn die festen Stammverbände, die sich am Ende der mittleren Stein-
zeit aus den Wanderhorden der Jäger und Sammler herausgebildet haben,
als die Keimzellen der Völker und Staaten der späteren Geschichte bezeichnet
worden sind (Obermaier), so ist damit wohl die Bedeutung der Erforschung
der mittleren Steinzeit genügend klargestellt, zugleich aber auch die Forderung,
die Untersuchungen mit dem möglichst besten Rüstzeug vorzunehmen. Wir
haben es nach dem jetzigen Stande der Wissenschaft bei uns mit zwei Grund-
kulturstufen zu tun, der Azil-Stufe oder dem Azilien und der Tardenois-
Stufe oder dem Tardenoisien, denen sich als Azilio-Tardenoisien bezeichnete
Mischstufen zugesellen. Wer sich bisher mit der mittleren Steinzeit beschäftigt
hat, weiß, wie schwer und oft sogar aussichtslos es ist, mesolithische Kultur-
elemente sicher als solche zu erkennen, geschweige denn, sie bestimmten
Stufen zuzuordnen. So sagt doch z. B. Prof. Obermaier vom Tardenoisien,
daß es „vor Jahren für Frankreich geschaffen wurde und alles eher als eine
scharfumrissene, einheitliche Kulturepoche bedeutet, da der Tardenoisien-
komplex Abschnitte des Mesolithikums wie des Neolithikums in sich schließt“
(Das Capsien-Problem im westlichen Mittelmeergebiet, Germania 18, 1934,
i65)-
Das Azilien konnten wir einwandfrei 1933 in der Falkensteinhöhle
an der oberen Donau feststellen (siehe die beiliegenden Fundberichte aus
Hohenzollern). Damit war eine erste sichere Grundlage zum mindesten für
die mesolithische Erforschung Südwestdeutschlands geschaffen. Eine zweite
Grundlage bildete die Uebernahme von mehr als 10000 der Tardenois-
Stufe angehörenden Silices der Sammlung P. Maier-Stuttgart vom Kappel-
berg bei Fellbach, deren Auswertung im Gange ist. Weitere ausschlaggebende
Bedeutung haben die Fundmengen, die dem Rappenfels (siehe unter Böhringen)
und der Klopfjörgleshütte (siehe unter Upfingen) entnommen werden konnten,
insbesondere bildet die Silex- und Knochenindustrie vom Rappenfels, die dem
Tardenoisien nahesteht, nun ein wichtiges Gegenstück zu dem Azilien der
Falkensteinhöhle, während die Silexindustrie der Klopfjörgleshütte Kultur-
elemente auf weist, die dem Tardenoisien ferner stehen. Diese Umstände
einerseits und die dauernd wachsende Zahl der Freilandfundplätze anderer-
seits verlangen geradezu, daß wir versuchen, über die Ausbildungen und die
Zusammenhänge der mittelsteinzeitlichen Kulturen neue Erkenntnisse zu
gewinnen, und zwar gleich für ein möglichst großes geschlossenes Arbeits-
gebiet (siehe meinen Aufsatz „Südwestdeutsches Mesolithikum“, Germania
19, *935, 98 ff.). Soll der Versuch Erfolg haben, so muß auch das Freiland-
mesolithikum Gegenstand einer planmäßigen Beobachtung und Untersuchung
werden, die von einer, und zwar der dazu gegebenen Stelle ausgehen, der
Staatl. Altertümersammlung in Stuttgart, und deren Träger in erster Linie
die Lehrer und sonstigen Mitarbeiter sein möchten, die sich hierin bereits
ebenso bereitwillig wie erfolgreich betätigt haben und in deren Händen sich
auch schon mein Flugblatt „Die mittlere Steinzeit in Südwestdeutschland“
(Stuttgart, September 1934) befindet. E. Peters.
 
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