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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 3): Denkmäler des Mittelalters, sechste Abtheilung — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3503#0004
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bogen, mit Ausnahme der Schallfenster am Thurrne,, sind im Spitzbogen construirt und nach der Weise
des spitzbogigen Baustyls pro'filirt; die Strebepfeiler ermangeln zwar ihrer spateren Krönung, der Spitz-
thürmchen, sind aber sonst vollkommen ausgebildet. Kur die drei Eingangs-Thüren, die noch vollkommen
dem Uebergangsstyle angehören. und die oben genannten Schallfenster sind im Rundbogen geschlossen.
Auch die freistehenden zwölf Pfeiler und die Wandsäulen im Innern der Kirche, die in der Mitte des
Schaftes durch einen Reif gegürtet worden, erinnern durch eben diesen Reif an Säulen und Pfeiler
romanischer Bauwerke aus der letzten Periode dieses Styles (v. 1150—1225).

Wie schon oben erwähnt, so hat der unbekannte Baumeister der Liebfrauenkirche derselben die im
Mittelalter beliebte Kreuzform gegeben; doch wenn vielleicht bei allen Kirchen Deutschlands der Schenkel
von der Vierung des Kreuzes bis zum Haupteingange der längste ist, so ist bei dieser Kirche der Schenkel
von der Vierung zum Chore der längere. Jeder der vier Winkel des Kreuzes ist durch zwei Vorlagen
begrenzt, wodurch die Kirche eine vieleckige Form mit ein- und auswärts springenden Winkeln bildet,
welche Anordnung eine originelle und sonst fast nirgend anderswo mehr vorkommende ist. Nur die schon
oben erwähnte Kirche St. Ived in Braine, die wir indess nur aus einer perspectivischen Zeichnung kennen,
scheint denselben Grundplan zu haben, so wie der des hinteren Theils der Kirche zu Xanten am Nieder-
rhein dem hinteren Theil der Liebfrauenkirche von den Kreuzesarmen ab bis zum Choresscblusse nach-

geahmt ist.

las wie gewöhnlich nach

Isten gerichtete Chor der Liebfrauenkirche ist mit fünf Seiten

eines Zehnecks, die übrigen drei Schenkel des Kreuzes sind mit drei Seiten eines regelmässigen Achtecks
geschlossen. Alle acht Vorlagen, welche die vier Winkel des Kreuzes schiiessen, sind ebenfalls auswärts
aus drei und einwärts aus vier Seiten des Achtecks gebildet.

Der Baumeister hat dafür gesorgt, dass man bei vorkommenden Reparaturen zu allen Theilen seines
Gebäudes gelangen könne. Zu diesem Zwecke hat er rundherum unter den Fenstern hindurch schmale
Gänge angebracht. Zu dem ersten Umgänge und auf das Gewölbe über den Winkeln des Kreuzes, womit
auch der zweite Umgang in Verbindung steht, und auf das Dachwerk über den zwei vorderen Winkeln des
Kreuzes, führen die beiden Treppenthürme in der Fronte. Die hintern Trcppenthürme fangen an dem ersten
Umgange an und führen zum zweiten Umgange unter den oberen Fenstern und weiter fort auf das Gewölbe
der Kreuzschenkel, welche alle vier durch schmale Durchgänge an den Ecken des Thurmes in Verbindung
stehen.

Das Deckengewölbe des Kreuzes mit seinen Widerlagsmauern ist ein Beispiel einer mehr denn kühnen
Construction. Jedes dieser Gewölbe hat einen der freistehenden acht dünnen Pfeiler, die sich um die
Vierung gruppireii, zur Unterstützung, auf welche das Gewölbe der Kreuzwinkel zum Schiffe hindrückt.
Von diesem Gewölbe ab stehen die 2 Fuss 9 Zoll starken Widerlagsmauern auf eine Höhe von 14 Fuss
bis zum Anfall der Gewölbrippen und 33 Fuss 9 Zoll bis über das Dachgesims ohne Strebebogen oder Strebe-
pfeiler frei; nur nach innen treten die Dienst- oder Wandpfeiler, welche von den Capitellen der die Wider-
lagsmauern tragenden Säulen erst einfach anfangen und sich alsdann vervielfältigen und ausladen, 2 Fuss vor,
und diese Mauern, die zwar von den Thurmpfeilern bis zu der Umfassungsmauer nur 33 Fuss lang sind, wider-
stehen dem Drucke des 31 Fuss breiten und 10| Zoll bis 1 Fuss 4 Zoll starken aus unregelmässigen Sandsteinen
bestehenden Gewölbes. Die Diagonalrippen der Gewölbe bilden vollkommene Halbkreise, die Gurtbogen
sind dagegen in Spitzbogen construirt, deren Scheitel mit dem Schlüsse der Diagonalbogen in gleicher Höhe
liegt. Die Gewölberippen sind von ihren Anfängern an vom Mauerwerk abgesondert und die Fugen laufen
alle auf das Centrum hin. Erst bei den Deckengewölben späterer Zeit wurden dieselben, um stärkere
Widerlager zu erhalten, von ihren Anfängern bis zu einer gewissen Höhe mit ihren Widerlagsmauern aus
einer Masse gebildet, und die Fugen gehen nicht auf das Centrum hin, sondern laufen mit den Mauer-
fugen in horizontaler Richtung fort, so z. B. am Dome zu Cöln.

Die kleineren Gurtbogen und beinahe alle Fensterbogen sind aus dem gleichseitigen Dreiecke construirt;
doch fallen an einigen Fensterbogen die Mittelpunkte der Bogenstüeke bedeutend ausserhalb ihrer Bogen
in die verlängerte Grundlinie des gleichseitigen Dreiecks, so dass diese sich mehr wie jene andern zuspitzen;
dagegen an den Gewölbrippen, welche Spitzbogen bilden und an den grösseren Gurtbogen fällt das Centrum
immer in die Grundlinie innerhalb des Dreiecks. An der Vorlage des Chores kommen auch einige Fenster
vor, an welchen die Bogen drei Winkel bilden: einen am Scheitel und zwei an ihrem Anspränge. Die
Bogenschenkel steigen nämlich eine Strecke vertical auf, sind dann gebrochen und vereinigen sich zu
einem Spitzbogen.

Auch bei der Liebfrauenkirche kommen jene Unregelmässigkeiten in den Abmessungen der einzelnen
Theile vor, die fast bei allen Bauwerken des Mittelalters gefunden werden. So steht z. B. das Fenster

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