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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Mitarb.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (Heft 2): Struktive und ästhetische Stilrichtungen, Kirchliche Baukunst — Stuttgart: Bergsträsser, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.67518#0021
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339

Renaissance zu verhindern, sowohl im Privatbau als in der kirchlichen Architektur,
die ideale Entwickelung zu erreichen, zu der sie die Mittel hatte. Erst mit den
grossartigen Unternehmungen des XIX. Jahrhunderts scheinen wieder günstigere Ge-
legenheiten für ihre Weiterentwickelung zu beginnen.
Die Folge hiervon ist, dass die französische Renaissance in viel geringerem Masse als die italienische
ein Stil grossartiger schöner Räume im Inneren, sowie imposanter Verhältnisse der Gebäude und ihrer Stock-
werke im Aeusseren geworden ist.
Das Noble, das Majestätische, die Grandezza in der Architektur, und wiederum das bezaubernde
Entzücken wirklich harmonischer Raumverhältnisse findet man hier sehr seiten. Man begegnet ihr dann in
denjenigen Gebäuden, welche am wenigsten an nationalen Eigenschaften festhielten.
Der reicheren Entwickelung der französischen Gothik, sowie dem zäheren Festhalten an ihren
Errungenschaften verdankt aber Frankreich auch wiederum manche Vorzüge.
Dieser Verbindung zwischen dem gothischen Structursystem und den antiken Details verdanken wir
Innenräume wie den von St.-Euftache zu Paris und Theile von Aussencompositionen wie das Kreuzschiff
von Sle.-Clothilde aux Andelys (Fig. 163); ferner eine Reihe von Kirchenfragmenten, denen Italien in
dieser Richtung nichts Gleichwerthiges an die Seite zu setzen hat.
Für manche Aufgaben der Renaissance auch in der Zukunft bieten daher diese Gebiete der
französischen Renaissance lehrreichere Vorbilder und Anregungen als die italienische, die Mailändische
ausgenommen.
Im Folgenden werden wir, sowohl gelegentlich der kirchlichen Architektur als des Palastbaues,
diese Unterschiede weiter zu betonen haben.

c) Beispiele verschiedener Structurweisen.
1) Steinplatten-Decken auf Rippen.
Das erste Structurmotiv, welches sich zu einer charakteristischen Stileigenthüm-
lichkeit entwickelte, ist das hier erwähnte. Fig. 68 * 743) zeigt eines der brillantesten
Beispiele dieser Anordnung und verdient hervorgehoben zu werden.
Die Elemente des Motivs haben sich innerhalb des gothischen Stils entwickelt;
der Gedanke ist wesentlich noch ein gothischer. Allerdings ist es die Früh-Renaissance,
in der dieses Motiv wenigstens zu einer Art beschränkten, hauptsächlich decorativen
Structursystems erhoben worden ist.
Der Gedanke, den Rundbogen und wagrecht deckende Elemente zusammen-
wirken zu lassen, ist viel älter und stellt sich namentlich da ein, wo über dem
Rundbogen ein wagrechter Fussboden herzustellen ist oder der Anschluss an eine
horizontale Abschlusslinie wie ein Gesims geboten wird.
Diese Idee tritt wohl schon in der spät-griechischen, häufig aber in der alt-römischen Architektur
und ihrer Arcadengliederung an das Licht; man findet Beispiele davon in den altchristlichen Kirchen,
Käusern und Gräbern Syriens 744), und Fig. 85 zeigt ein Beispiel aus der edelslen und reinsten Zeit des
Gothischen in der Fensterbildung der Schloss-Capelle zu St. Germain-en-Laye 745).
Anthyme St.-Paul'^'5'), der wie manche seiner Landsleute sich nicht von dem
Gedanken trennen kann, es hätte die französische Architektur ohne das Eindringen
der italienischen Kunst eine höhere, edlere, unabhängige Entwickelungsform erleben
können, fragt sich — allerdings schüchtern — ob etwa in diesem structiven Gedanken
7i3) Facs.-Repr. nach: Rouyer, E. & A. Darcel. L'art architectural en France etc. Paris 1859—66. Bd. 11, Bl. 1.
744) Siehe: Vogüe, M. de. Syrie Centrale. Architecture civile et religieufe du ler au File Jiecle. Paris 1865—77.
Bd. I, Bl. 8—17.
745) Etwa gleichzeitig mit diesem Beispiele wurde bei den Verstärkungsarbeiten des herrlichen, überkühnen Chorbaues
zu Beauvais nach dem Einsturze der Gewölbe die Scheitellinie der Querhälfte der Kreuzgewölbe mittels einer wagrechten
Steinunterlage verstärkt, die durch den Scheitel eines Gurtbogens und durch durchbrochene Füllungen, wie in Fig. 85, getragen
wird und die auf den zwischen den alten Pfeilern eingestellten neuen Pfeilern ruht.
743) In: Planat, P. Fncyclopedie de l'architecture et de la conssrziction. Paris 1893. Bd. VI, S. 358.

457-
Ursprung
dieser
Construction.

458.
Grenzen
dieses
Systems.
 
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