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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Mitarb.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (Heft 2): Struktive und ästhetische Stilrichtungen, Kirchliche Baukunst — Stuttgart: Bergsträsser, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.67518#0079
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397

bequem ist, auf eine besondere Ausfassung der architektonischen Composition hin-
weist und für eine der Strömungen der Stilrichtung interessant ist.
Bei der Behandlung dieses Gliederungssystems wurden wir allmählich genöthigt,
anzuerkennen, dass das Auftreten desselben für die Entwickelungsgeschichte der
Hoch-Renaissance nicht bloss in Frankreich, sondern auch in Italien wichtiger ist, als
es zuerst scheinen mochte, und ferner dass man über diese Frage weniger unter-
richtet ist, als zu erwarten war. Ja, sie ist so sehr mit der Entstehung einer der
wichtigsten früheren Residenzen Frankreichs, Monceaux-en-Brie verknüpft, dass wir
deren Beschreibung und Geschichte eingehender behandeln und in das vorliegende
Kapitel herüber nehmen mussten. Und diese wiederum nöthigte zu einem vergleichen-
den Blick auf das früheste Auftreten dieser Anordnung in Italien und Frankreich.

a) Vergleich der grossen Ordnung in Frankreich und Italien.
i) Früheste Beispiele in Frankreich.
Ueber die Zeit der Einführung dieser Gliederungsweise herrschen in Frank- 53U,
° ° Französische
reich selbst verschiedene Ansichen. Anthyme-Saint-Paul9^} z. B. schreibt hierüber Ansichten.
Folgendes:
Jean Bullant, den Ecouen, das Petit Chateau zu Chantilly, Fere-en-Tardenois und vielleicht Mon-
ceaux unsterblich gemacht, führt die grosse Ordnung ein, aber in einer ihm ganz eigenthümlichen Weise,
die man wenig zu befolgen geneigt ist, die aber seiner Unterschrift gleich kommen dürfte. Etwas früher
(S. 367) hatte derselbe Autor Folgendes geschrieben: »Um Gelegenheit zu finden, in Ecouen die Säulen
des Tempels vom Jupiter Stator., die er in Rom gezeichnet hatte, in ihrer ganzen Majestät anzuwenden,
führt er die grosse Ordnung ein; aber diese Combination bleibt so zu sagen ihm eigen, und man findet
sie in voller Blüte erst unter Ludwig XIV. Und übrigens durch eine eigenthümliche Fügung, im Augen-
blick, wo Bullant diesen verfrühten Schritt zur modernen Kunst machte, componirte Ph. de l’Orme seine
französische Ordnung mit der Absicht, Säulen aus kleineren Trommeln zusammenzusetzen, und statt es zu
verheimlichen, dies künsilerisch zu verwerthen. Anthyme-Saint-Paul vergisst hier wichtige Beispiele der
grossen Ordnung in Monceaux-en-Brie, das er vorübergehend genannt, in Charleval, sowie den Westtheil
der Grande Galerie du Louvre.
Germain Brice wiederum hielt das Hotel der Diana von Frankreich, später Lamoignon (Fig. 118)
sür das früheste Beispiel in Paris.
Palußre hält die grosse Ordnung als etwas Charakteristisches für den Stil Jacques II. Du Cerceau.
Diese Ansicht beruht auf der Thatsache, dass man den ehemaligen Theil der Tuilerien, der diese zeigte,
dem zweiten Sohne des alten Du Cerceau zuschreibt.
Man erfährt hieraus, dass diese Anordnung in Frankreich die Aufmerksamkeit
auf sich lenkte und als etwas Ungewöhnliches angesehen ward. Ebenso erkennt man,
dass nicht nur die Ansichten über denjenigen, der sie zuerst eingeführt hat, ver-
schieden sind, sondern dass sie auch in Bezug auf die Zeit der Entstehung ziemlich
voneinander abweichen.
Das Basrelief vom Jahre 1481, aus dem Atelier Francescos da Lovrana am 54°-
Altarschrein in St.-Didier zu Avignon, zeigt an zweien der interessanten Gebäude des Jlurhefc
0 ’ ö Beispiele
Hintergrundes eine grosse Ordnung . in
Das irüheste Beispiel einer grossen Ordnung bei einem Franzosen zeigt vielleicht unsere Fig. 3, Frankreich.
aus der Zeit um 1535- Allerdings handelt es sich hier um eine Phantasie-Architektur im Geschmacke antiker
Denkmäler und unter dem Einflusse gewisser Projecte für St.-Peter in Rom (slehe Fig. 18 u. 19, S. 53 u. 55).
Als eine um wenige Jahre spätere Anwendung ist eine, wenigstens scheinbar durch zwei Stock-
werke gehende Ordnung, zu erwähnen um 1541 oder 1543, am Aeusseren der Sakristei von St. Aignan in
854) Siehe seinen Artikel über die französische Renaissance in: Planat, a. a. O., Bd. VI, S. 367 u. 373.
Handbuch der Architektur. II. 6, b. 26
 
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