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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Contr.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (Heft 2): Struktive und ästhetische Stilrichtungen, Kirchliche Baukunst — Stuttgart: Bergsträsser, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.67518#0165
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und äusseren Seitenschiffe begonnen. Ihm entsprechend wurde der rechte Thurm1024)
zur Zeit der reichsten Hoch-Renaissance 1558 in Angrift' genommen und 2^2 Stock-
werke hoch gebaut. Der Raum zwilchen beiden Thürmen wird durch kräftige
Strebepfeiler in drei Felder getheilt, das mittlere breitere dem Mittelschiff, die
anderen den beiden inneren Seitenschiffen entsprechend.
Etwa in halber Höhe der Fapade werden diese drei Theile durch Rundbogen
überspannt, wodurch hohe nischenartige Vertiefungen, in denen die Portale der
Schiffe zurückliegen, entliehen. Ueber dem mittleren Rundbogen wird bis zur
Vorderssucht der Strebepfeiler ein Segmentbogen gespannt, der vorn ein Giebelfeld
bildet und eine Terrasse trägt. Auf letzterer tritt eine Art Loggia triumphbogenartig
wie für das Spenden des Segen, frei zwischen den Strebepfeilern vor. In dieser Höhe ist
über dem rechten Seitenjoch einfach eine Arcade angebracht, um das zurückliegende
Seitenschiffdach zu verbergen. Ueber dem linken Joch dagegen ist eine glatte
Mauer aufgebaut, die in Gurthöhe des Glockenhauses des anstossenden Thurms
durch drei Nischen mit Figuren, Pilastern und Medaillons unter einem Giebel ab-
geschlossen wird.
Alle diese Gliederungen sind mit reichen, zum Theil vortrefflichen, oft den
Einssuss Jean Goujoris zeigenden Ornamenten sculpirt. Stellenweise sind sie besser
als die Lescot's im Louvrehof. Pilasterfüllungen, Friese, Füllungen, Giebelfelder,
Archivolten, Cassetten, Consolen u. s. w. zeigen durchweg die reiche Phantasie
und Kunstliebe der leitenden Architekten.
Die bereits erwähnten Analogien mit dem Stile Jean Coupon? fielen mir bei meinen zwei Be-
tuchen in Gisors 1884 und 1895 dermassen auf, dass ich jedes Mal die Theile notirte, wo ich sie bemerkte.
Meine elf Jahre auseinander liegenden Notizen hierüber slimmten fast sämmtlich zusammen und führe ich
folgende Stellen an :
Aussen: Am Mittelpfoslen der Hauptthür sind die Figürchen in den Nischen unter der älteren
Madonnenstatue in der Art J. Goujori?.
Das Rankenwerk auf dem Thürsturz ähnlich der Schule von Jean Brillant.
Die Figuren in den Bogenzwickeln der Nischen über der Thür sind im Goujon-StiX.
Die Greifen im Fries der Tabernakel hängen mit dem Greifen-Fries Goujoris am Grabmal Breze
in Rouen zusammen.
Die Stellung des träumenden Jacob erinnert an die der Nymphe de la Seine Goujotis und seiner
Diana auf dem Brunnen von Anet, auch in der charakteristischen Stellung der Füsse.
Das Profil der gessügelten Figur im Rundbogendreieck links erinnert an das Profil von Goujoris
Karyatiden im Louvre, auch in dem Anzug und in der Figur ist Einiges in seiner Art.
Vielleicht liegt in der einen Figur rechts in der Lünette eine entfernte Erinnerung an eine Pro-
phetenfigur Goujoris, in Ecouen.
Innen: Am Thurmpfeiler, der die Ecke in der Kirche bildet, ist die äussere korinthische Ordnung
hier als cannelirte Pilaster angebracht in der Gruppirung der rhythmischen Travee. Das Blattwerk dieser
Kapitelle ist sehr fein wie im Louvrehof oder an den Kapitellen J. Goujoris in St.-Maclou zu Rouen.
An der Bekrönung der Nischen dieses Pfeilers kommen Palmetten in der Richtung Brillant?, und J. Goujon’?
vor. Am Gesims dieser Ordnung ist eine doppelte Hängeplatte in der Art Goujon’s in der Capelle von
St-Romain zu Rouen.
An der Basis eines Pfeilers innen, der Uebergang zweier Profile von ungleicher Höhenlage nach
demselben Princip wie unter einem Gesims an derselben Capelle von St.-Romain.
Die Bögen des Orgellettners (seit 1569) erinnern ebenfalls an letztere Capelle.
Ein Maskenkopf unter dem Gewölbe des neuen Thurmes (seit 1558), dessen Ausdruck an die
Karyatiden Goujori? erinnert.
Die Bildung der Beine der Figuren am selben Lettner erinnert sehr an die von Jean Goujon,

Siehe im Folgenden über die Ordnungen an dieser Kirche die Beschreibung derselben.
 
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