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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Contr.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (Heft 2): Struktive und ästhetische Stilrichtungen, Kirchliche Baukunst — Stuttgart: Bergsträsser, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.67518#0198
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516

St.-Jacques, die Hauptkirche von Luneville, hat zwei Thürme, die mit Kuppeln
von Spitzbogenform endigen. Krabben gliedern ihre Rippen. Eine Statue bildet
den Abschluss jedes Thurms. Durch diese und andere Zuthaten ist der Gesammt-
charakter ihrer Silhouette viel bewegter und barocker als bei der Kathedrale von
Nancy.
Das Erdgeschoss der Thürme mit einer grossen Ordnung ist quadratisch; dann folgt ein rundes
Geschoss mit Dreiviertel - Säulen und Halbpilastern. Das zweite obere Geschoss mit Unterbau, Tambour
und Kuppel bildet den Abschluss.
Für die Ideen, die man um 1750 für Kirchenfagaden hatte, geben zwei Entwürfe
für eine neue Fa^ade von St.-Eußache zu Paris einen interessanten Aufschluss. Wir
bilden sie (Fig. 174 1087) und Fig. 175) nebeneinander ab. Die erstere, von Patte
entworfen, ist stilistisch die vorgeschrittenere und hat gar nichts Mittelalterliches,
weder in der Gliederung, noch in den Verhältnissen. Sie hat ganz den Charakter
einer wirklichen Louis AK/.-Faqade, wie das Pantheon von Souff lot, jedoch weniger
kalt aussen.
Jean Manfard de Jouy dagegen ging in seinem Entwürfe, der mehr den
Charakter der Zeit Ludwig XV. zeigt, wieder auf die Massenverhältnisse der gothischen
Thurmfacaden, wie jene von Notre-Dame zu Paris, zurück, was für diese Kirche
richtiger war. Für sich betrachtet, wäre sie eine der glücklichsten Thurmfacaden
dieser Zeit gewesen, wie sie Fig. 175 1088) zeigt. Manfard hatte sie 1754 begonnen.
Leider wurde sie von seinem Nachfolger schon im ersten jonischen Geschosse modi-
ficirt, erhielt einen Giebel vor dem Mittelschiff und eine viel niedrigere, schlecht
entwickelte Thurmbildung, so dass ihr Eindruck ein kalter, ganz verfehlter ist.
Das Modell Manfard.'s de fouy wurde 1753 am Heilig-Ludwigsfest zu Versailles in der Salle des
gardes de la Reine ausgestellt, am 1. Mai 1754 der Grundstein gelegt 1089). Er hatte seinen Entwurs
unentgeltlich gemacht. Von 1772—1787 wurde der Bau von Moreati-Desfroux, Architekt der Stadt Paris,
mit wenig glücklichen Veränderungen weitergeführt und blieb mit bloss einem niedrigeren Thürme un-
vollendet. Er brachte einen Giebel über der Loggia an.
Wenn man sich das vorletzte Stockwerk der Thürme in Fig. 175 fünfmal übereinander wiederholt
denkt, so hat man eine Idee der Front der Kathedrale zu Rennes mit ihren zwei Thürmen. Am obersten
Stockwerk sind die Ecken abgeschnitten. Der Eindruck ist monoton und die Silhouette des Aufbaues in
Folge der Art des Absetzens der zwei obersten Stockwerke wenig glücklich. Inwiefern sie vom grossen
Brande vom 22. December 1720, dem ein grosser Theil von Rennes zum Opfer fiel, beeinssusst wurde,
vermögen wir nicht zu sagen.
Die Fagade der Kirche La Touf/'aint zu Rennes zeigt ein ziemlich hohes Rechteck mit drei
Ordnungen von Pilastern und Halbpilastern in drei Traveen getheilt. Ueber den seitlichen sollen acht-
eckige Kuppelbauten einen verfehlten thurmartigen Abschluss geben.

1087) Facs.-Repr. nach einem alten Stich im Cabinet des Eßampes zu Paris. Bd. Hd, 188.
1088) Facs.-Repr. nach einem alten Stich von J. B. de Poilly, im Besitz des Verfassers.
1089) F)je auch von Palußre wiederholte Angabe, dass durch den Bau der neuen Fagade das Langhaus um eine
Travee verkürzt worden sei, scheint mir unrichtig, denn an der südlichen Seitenfagade ist die hintere Ecke der alten, 1753
abgetragenen Fagade mit dorischen Pilastern im I. Geschoss noch erhalten. Beim Neubau können höchstens die Seitencapellen
dieser Travee unterdrückt worden sein.
 
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