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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Mitarb.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (Heft 2): Struktive und ästhetische Stilrichtungen, Kirchliche Baukunst — Stuttgart: Bergsträsser, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.67518#0278
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von Dispositionen ansehen darf, die in grösserem Massstabe auszuführen sich keine
Gelegenheit bot.
82°- Wir beginnen mit zwei Beispielen von Schranken aus Holz: die der Capelle
aus der St.-Germain in Ribemont, unten mit Füllungen, oben masswerkartig durchbrochen,
Uebergangszeit anscheinend aus der Zeit Ludwig XII., und Capellenschranken in der Kathedrale zu
Früh. Evreux, ebenfalls aus Holz 1225).
Renaissance. Ein fchönes Beispiel von Mauer- oder Wanddecoration zeigen die vollen Chor-
schranken der Kathedrale zu Chartres, mit den mehrfach vorkommenden Jahres-
zahlen 1521 und 1529.
Sie scheinen eine für das Innere berechnete, daher zum Theil feinere Weiterentwickelung der italo-
französischen Schule von Gaillon zu sein. Die Mauerfelder sind wie Thüren oder Fenster oben mit ab-
gerundeten Ecken, von mehreren Rundstäben mit gothischen Basen umrahmt und liegen zwischen reich
profilirten schrägen Laibungen zurück, die durch breite Lisenen mit Pilasterfüllungen getrennt werden.
An dielen breiten Füllungen sowie an einzelnen schmäleren Profilgliedern sind die Ornamente nach rein
italienischen Vorbildern der veronesisch-venetianischen Schule gebildet, während an den dazwischen liegenden
Kehlen und Gliedern mehr gothisirendes Laub sowie Motive bestehend in Mischungen der alten Phantasie
und der neuen Formen in verschiedenen Verhältnissen wie gessochtene oder spiralförmig auffleigende Bänder,
Muscheln, Medaillons u. s. w. vorkommen 1226).
Die Schranken aus der Capelle von Pagny (Cöte d’Or) in der Sammlung des
Herrn Edmond Foulc1^1} in Paris sind von 1537—38 datirt und von ganz be-
sonderer Schönheit.

An beiden Enden bilden sie je einen Altar mit giebelgekrönter Hinterwand, deren Gebälk durch-
läuft. In der Mitte ist ein Rundbogenthor zwischen Halbsäulen, von einem dritten Giebel überragt, über
welchem sich ein hohes Crucifix erhebt, begleitet von einer Statue über den Halbsäulen. Zwischen diesen
und den Altären ist der durchbrochene Theil der Schranke, von je drei Intercolumnien. In der Höhe
der Mensa beliebt sie aus einer Arcatur von kleinen Rundbogen zwischen cannelirten Pilasterchen und
darüber von schlanken Candelabersäulen, welche das Gebälk mit hohem, reich sculpirtem Fries tragen.
Wir sehen hier den Stil Franz I. etwa in der edlen Entwickelung , die den Bramanle'seben Theilen von
S. Maria delle Grazie in Mailand entspricht. Die Composition ist ebenso reich an naturgemässen har-
monisch gelösten Contrasten als reizend durch das lebendige , saftige und doch sehr feine Detail. Die
glückliche Abwechselung von Stein und Marmor vollendet den Eindruck eines Kunstwerks von seltenem
Werth und Anmuth.
Zu erwähnen sind auch die Chorschranken in der Kirche zu Notre-Dame-de-l’Epine1228) in der Haute-
Marne, etwa 1535—4°-
In einer Seitencapelle von Notre-Dame zu Rodez belieben die Schranken in einer schönen reichen
Arcaden- und Pilasterarchitektur ganz in oberitalienischem Charakter von 1510 etwa. Innerhalb der offenen
Bogen statt eines Stab- oder Gitterwerks eine frei durchbrochene Ornamentcomposition von Candelaber,
Ranken u. s. w. In derselben Kirche die Chorschranken, 1531 begonnen, von sehr schöner Arbeit.
Sie zeigen Arcaden, in welchen als durchbrochene Arbeit (etwa wie die Chorbalustraden der
Sakristei von S. Lorenzo in Florenz) in der Mitte ein Candelaber sleht, begleitet von reichem Rankenwerk
mit Füllhörnern und Engelchen, Alles von kräftiger Zeichnung, während feines Arabeskenwerk die Brüstungen,
Bogenpfeiler, Archivolten und Pilaster bedeckt.
Die Schranken iu der Kirche von Fecamp sind französische Interpretationen ähnlicher italienischer
Werke, z. B. derer in S. Petronio in Bologna. In der Mitte eine von Candelaberhalbsäulen eingefasste
Thür, über deren Sturz ein Halbkreisgiebel mit Muschel und zwei ein Emblem haltende Engelchen folgen.
Ein steiler wimpergenartiger Giebel mit Krabben sollte diese Lünette abschliessen. Die Schranken selbst,
1225) Ueber die schönen Schranken zu Nevers und Amiens versäumte ich leider, nähere Notizen zu nehmen
1226) Jean Le Texier, gen. Jean de Beatice — nicht zu verwechseln mit einem Bekannten von obigem, ebenfalls
Jehan de Texier, Magon in La Ferte-Bernard — der von 1507—1513 den Nordthurm der Kathedrale baute, soll nach Lance
die Chorschranken 1514 begonnen haben, die 1529 noch nicht fertig waren. Sie sollen von Francois Marchand, Bildhauer
aus Orleans, in den Jahren 1532 und 1542 weitergeführt worden sein. Auch Palufire giebt für die von uns beschriebenen
Theile die Daten 1521—1529.
1227) Abgebildet bei Palustre, L. in Architecture de la Rena.ijffa.nce, a. a. O., Fig. 93.
122S) Nach einer Photographie im Trocadero-Museum zu Paris beschrieben.
 
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