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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Contr.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (Heft 2): Struktive und ästhetische Stilrichtungen, Kirchliche Baukunst — Stuttgart: Bergsträsser, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.67518#0341
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659

von Kirchen verschiedener Grösse zusammenstellen. In dieser Weise erlangt man eine belehrende Vorstellung
von den Absichten der Meister in den verschiedenen Phasen und ein sicheres Bild von der Leistungs-
fähigkeit des Stils auf dem Gebiete der Kirchenbaukunst.

i) Typen der Früh-Renaissance.
Nr. I. Den erslen Typus finden wir an der Fagade der Kirche zu Montresor (1520 — 41 , ssehe 921-
Fig. 153). Er zeigt eine Stufe der Verbindung, die fähig war, eine klare einfache Betonung von Gliede- Drel srühe
ö J ' .... Typen,
rungen, die sich stellenweise an das Romanische anlehnen, mit einer Detaillirung von grösster Feinheit zu
verbinden.
Nr. 2. Der zweite Stiltypus ist der der Plolzthüren der Kathedrale zu Beauvais, der Chorschranken
der Kirche zu Pagny (bei H. Foule in Paris) und des Lettners der Kathedrale zu Limoges, ferner einer
Reihe von Fragmenten dieses Charakters , wie z. B. der mittleren Partie des Portals der Kirche St.-Phal
bei Troyes. Er offenbart eine Kunststufe, welche eine Gliederung von fast tadelloser Flüssigkeit und eine
Formentwickelung vom feinsten Zauber verband. Sie zeugt von einer Reife des Stils der Früh-Renaissance
selbst zur ■ Zeit ihres gröbsten decorativen Reichthums, welche grosse wie kleine Kirchen von unglaublicher
künstlerischer Meisterschaft zu schaffen fähig war.
Der Typus des Leuchters der Kirche von St.-Nicolas zu Troyes von 1549 > der identisch ist mit
dem Stile mancher gezeichneten oder geslochenen Serie Du Cerceau’s 1404), schliesst sich dem vorigen an
und offenbart einen nach allen Richtungen hin fertig ausgebildeten Charakter der Ornamentik.
Nr. 3. Den dritten Typus treffen wir in der oberen Hälfte des älteren Thurms der Kirche zu
Gisors. Er zeigt mit den beschriebenen Strebepfeilern zu Gisors und Usse , an St.-Pierre zu Caen und in
der Kirche zu Falaise verschiedene Stufen einer etwas anderen Auffassung der Formenverbindung, welche
ebenfalls eine schöne Gruppe von Kirchen ermöglicht hätte.
Nr. 4. Wäre die grossartige Kirche von St.-Eußache zu Paris erst 10—15 Jahre später — oder 922.
auch von einem anderen gleichzeitigen Meister — entworfen worden, so hätte sie ein ebenso harmonisch -Typus
durchgeführter Bau sein können wie die Sainte-Chapelle zu Paris und die Kathedralen von Amiens und Ezißache
Beauvais. Einige herbe Stellen oder Plumpheiten an den Pfeilern und am Triforium, in der Schwellung
der oberen Säulen und die jämmerlichen Fenster-Masswerke wären vermieden und in brillanter Weise
ersetzt worden. Die Verhältnisse der einzelnen Glieder und das Detail hätten etwas vom Leuchten des
Edelvollkommenen und vom Zauber der Grazie und Phantasie erhalten , der selbst den frischen Reiz des
besten gothischen Details übertroffen hätte. Die Formen des Typus der Thüren der Kathedrale von
Beauvais, die Formen der Pfeilerentwickelung bei der Arcatur an derselben, im Charakter etwas früher als die
Pfeiler von St.-Eußache sowie alle Typen des Stils Marguerite de Valois, geben die Versicherung hierfür.
Ein Altar mit dem St.' Georg (?) zu St.-Florentin zeigt ein gutes Beispiel dieser Richtung. Die Fenster-
Masswerke der Kirchen St.-Jean zu Troyes, von Notre-Dame zu Tonnerre und der Kirche zu Bar-sur-
Seine bei Troyes bürgen ihrerseits für eine vollständige Beseitigung der Mängel von St.-Eußache nach
dieser Richtung hin.
Als Begleiterinnen dieser Kirchen denke man sich die Typen von Thürmen wie die von St.-Antoine 923-
zu Loches und der Kirche zu Bressuire (siehe Fig. 312), wie den angefangenen Vierungsthurm von St.-Jean Dle Thülme-
zu Caen, die späteren Thürme von St.-Patrice zu Bayeux, von St.-Michel zu Dijon, die drei Thürme der
Abtei von St.-Amand bei Valenciennes, ferner die Zwischenstufen, die sich leicht interpoliren lassen, oder
Beispiele, die wir beschrieben haben, so sleht man vor einem Reichthum der Thurmausbildung, welcher
demjenigen der Gothik schwerlich nachsleht und ein weiteres Feld der Entwickelung bieten dürfte.

2) Typen des Style Marguerite de Valois.
Mit dieser Phase tritt man an Typen heran , die den Zauber zweier Phasen in verschiedenen Ver-
hältnissen aufnehmen: die edle Fülle der vollständig geläuterten Früh-Renaissance und die noch blühende
Frische der Hoch-Renaissance.

1404) Siehe z. B. : Die Dachbekrönung und Anderes aus dem Album K. (Fig. 54 u. 84) unteres Werks: Les Du
Cerce ati, a. a. O.
 
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