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An den vorgeschritteneren Theilen der Kirche haben wir noch folgende Beobachtungen gemacht:
Am vorderen linken Vierungspfeiler erinnert die etwas schwere Behandlung der jonischen Pilasterkapitelle
in einigem an jene der Kirche Ste.-Clotilde aux Andely.
Die Thür des rechten Seitenschiffs an der Fagade erinnert, obwohl weniger gut, an den Meister des
neuen Thurms der Kirche zu Gisors; der dritte Pilaster des rechten Seitenschiffs aussen, 1578, ist ebenfalls
eine Nachahmung von Gisors. Im rechten (südlichen) Seitenschiffe, in den Pfeilern zwischen den Capellen,
trifft man wieder eine gewisse Verwandtschaft mit St.-Euftache. Auch das spätere Blattwerk der Kapitelle
hat gewisse Analogien mit dem späteren in St.-Euftache.
Ueber den Namen des erfindenden Architekten von St.-Euftache sind bis jetzt
keine zuverlässigen Nachrichten vorhanden. Man hat versucht, auf anderen Wegen
seinen Namen zu ermitteln.
Le Roux de Ldncy^f schreibt im Jahr 1850: Der Grundstein wurde am 19. August 1532 gelegt,
und da das Hotel-de-Ville von Paris 1533 von Domenico da Cortona begonnen wurde, nimmt man aus
dieser Zusammenstellung auch an, er sei Architekt der Kirche gewesen.
Fünf Jahre später schrieb Guilhermy™1'')-. Der Architekt, der die Arbeiten leitete, soll David ge-
heissen haben. Er meint hiermit jenen Charles David, jure du Roy es oeuvres de magonnerie . . . Architecte
et conducteur de Veglife, der nach 53 jähriger Ehe mit Anne Lemercier am 4. December 1650, 98 Jahre
alt, starb , und die Kirche vollendete1106 1107 1108). Za»«1109) hält ihn dagegen für den zweiten Architekten der
Kirche und für den Erbauer der 1637 vollendeten Fagade.
Paluftre1110 *) glaubt, beide Kirchen seien eine »Familienarbeit« der Lemercier s aus Pontoise. Er
möchte als Architekten Pierre Lemercier (liehe Art. 131, S. 125) aufstellen, als dessen Nachfolger Nicolas
Lemercier. Er glaubt diese Ansichten durch die Thatsache bestätigt, dass Anna, die Tochter des letzteren
und Schweiler des jungen Jacques Lemercier, den erwähnten Charles David heirathete, und dass die
Mehrzahl »de nos edifices etaient a proprement parier des monuments de famille«, da im XVI. Jahrhundert
vielfach die Söhne als Architekten Nachfolger ihres Vaters wurden. Weil nun Jacques Lemercier zu jung
war, als sein Vater Nicolas Lemercier starb, um sein Nachfolger in der Leitung des Baues von St.-Euftache
zu werden, wählte man hierfür dessen Schwager Charles David.
Das »Raifonnemente von Paluftre ist hübsch und hat etwas Besleckendes. Die
Sachen hätten sich so zutragen können. Leider verbietet mir eine zweimalige
Untersuchung von St.-Maclou, dieser Ansicht beizutreten. Auch bin ich nicht der
einzige, bei dem die Angaben Paluftre s das Gefühl der Unsicherheit erweckt
haben 111X).
Schon 1883 drückte Herr A. de Champeaux in einem Briefe vom 11. Januar an Paluftre, den er
mir zur Verfügung stellte, eine andere Ansicht aus. Nachdem er die Gründe aufgezählt, welche
Boccador mit Gewissheit als den Architekten des Pariser Hotel-de- Ville feststellen, fragt er sich, ob letzterer
nicht auch die Pläne zu dieser Kirche geliefert haben könnte, wobei Lemercier nur der ausführende
Architekt gewesen sei1112).
Auch Anthyme Saint-Paul scheint nicht von der Richtigkeit der Schlüsse Paluftre'? ganz überzeugt
zu sein. Er schreibt: In St.-Euftache zu Paris hat Pierre Lemercier — wenn er es wirklich ist — ein
Werk ohne Vorgänger und ohne Nachfolger errichtet. Man fragt sich, ob hier die Gothik der Renaissance
den Handschuh hingeworfen oder umgekehrt1113).
Sehen wir zuerst die Theorie Paluftre's näher an. Ihr ganzer Aufbau beruht
auf zwei Hauptpunkten: 1) dass Pierre Lemercier wirklich der erste Architekt
1106) Siehe a. a. O., S. 18.
1107) Guilhermy, M. F. de. Itineraire archeologique de Paris. Paris 1855. S. 199.
1108) Siehe: Art. 423, S. 310 und Calliat, V. u. Le Roux de Lincy. L'lglise de St.-Euftache etc., a. a. O., S. 18.
1109) Siehe: Dictionnaire des Architectes francais, a. a. O., Artikel David.
m°) Siehe: La Renaissance en France, a. a. O. Paris 1879. Bd. I. Introduction, S. 6.
Uli) Im October 1895 sagte mir Herr Lucien Magne, es habe ihm einer seiner Freunde, der sehr gut die Archive
kennt, welche Paluftre bezüglich der Künstler der Familie Lemercier consultirt hatte, Folgendes versichert. Da Paluftre in
der Reihenfolge der Mitglieder dieser Familie eine Lücke fand, hätte er einfach einen Lemercier erfunden, um sie zu ver-
binden. Paluftre übrigens giebt selbst letztere Thatsache als eine »Hypothese« seinerseits zu.
1112) D' apres ce que je viens de vous dire, vous devez penjer que je Jerais egalement dispoje a accepter l'affirmation
de Linerol Jur le Premier architecte de St.-Euftache. Mais Id je n’ai aticune preuve a Journir . . . mais ne pourriez voits
admettre que si Linerol avait raijon, Dominique n'aurait egalement contribue d la conftruction que pour le plan general,
qui etonne par Ja grandeur et Jon etr angele, et que Vexecution aurait ete pourjuivie par Lemercier ?
1113) Siehe: Planat, a. a. O., Bd. VI, S. 373.
719.
Architekten
von
St.-Eujtache
und
St. -Maclou.
An den vorgeschritteneren Theilen der Kirche haben wir noch folgende Beobachtungen gemacht:
Am vorderen linken Vierungspfeiler erinnert die etwas schwere Behandlung der jonischen Pilasterkapitelle
in einigem an jene der Kirche Ste.-Clotilde aux Andely.
Die Thür des rechten Seitenschiffs an der Fagade erinnert, obwohl weniger gut, an den Meister des
neuen Thurms der Kirche zu Gisors; der dritte Pilaster des rechten Seitenschiffs aussen, 1578, ist ebenfalls
eine Nachahmung von Gisors. Im rechten (südlichen) Seitenschiffe, in den Pfeilern zwischen den Capellen,
trifft man wieder eine gewisse Verwandtschaft mit St.-Euftache. Auch das spätere Blattwerk der Kapitelle
hat gewisse Analogien mit dem späteren in St.-Euftache.
Ueber den Namen des erfindenden Architekten von St.-Euftache sind bis jetzt
keine zuverlässigen Nachrichten vorhanden. Man hat versucht, auf anderen Wegen
seinen Namen zu ermitteln.
Le Roux de Ldncy^f schreibt im Jahr 1850: Der Grundstein wurde am 19. August 1532 gelegt,
und da das Hotel-de-Ville von Paris 1533 von Domenico da Cortona begonnen wurde, nimmt man aus
dieser Zusammenstellung auch an, er sei Architekt der Kirche gewesen.
Fünf Jahre später schrieb Guilhermy™1'')-. Der Architekt, der die Arbeiten leitete, soll David ge-
heissen haben. Er meint hiermit jenen Charles David, jure du Roy es oeuvres de magonnerie . . . Architecte
et conducteur de Veglife, der nach 53 jähriger Ehe mit Anne Lemercier am 4. December 1650, 98 Jahre
alt, starb , und die Kirche vollendete1106 1107 1108). Za»«1109) hält ihn dagegen für den zweiten Architekten der
Kirche und für den Erbauer der 1637 vollendeten Fagade.
Paluftre1110 *) glaubt, beide Kirchen seien eine »Familienarbeit« der Lemercier s aus Pontoise. Er
möchte als Architekten Pierre Lemercier (liehe Art. 131, S. 125) aufstellen, als dessen Nachfolger Nicolas
Lemercier. Er glaubt diese Ansichten durch die Thatsache bestätigt, dass Anna, die Tochter des letzteren
und Schweiler des jungen Jacques Lemercier, den erwähnten Charles David heirathete, und dass die
Mehrzahl »de nos edifices etaient a proprement parier des monuments de famille«, da im XVI. Jahrhundert
vielfach die Söhne als Architekten Nachfolger ihres Vaters wurden. Weil nun Jacques Lemercier zu jung
war, als sein Vater Nicolas Lemercier starb, um sein Nachfolger in der Leitung des Baues von St.-Euftache
zu werden, wählte man hierfür dessen Schwager Charles David.
Das »Raifonnemente von Paluftre ist hübsch und hat etwas Besleckendes. Die
Sachen hätten sich so zutragen können. Leider verbietet mir eine zweimalige
Untersuchung von St.-Maclou, dieser Ansicht beizutreten. Auch bin ich nicht der
einzige, bei dem die Angaben Paluftre s das Gefühl der Unsicherheit erweckt
haben 111X).
Schon 1883 drückte Herr A. de Champeaux in einem Briefe vom 11. Januar an Paluftre, den er
mir zur Verfügung stellte, eine andere Ansicht aus. Nachdem er die Gründe aufgezählt, welche
Boccador mit Gewissheit als den Architekten des Pariser Hotel-de- Ville feststellen, fragt er sich, ob letzterer
nicht auch die Pläne zu dieser Kirche geliefert haben könnte, wobei Lemercier nur der ausführende
Architekt gewesen sei1112).
Auch Anthyme Saint-Paul scheint nicht von der Richtigkeit der Schlüsse Paluftre'? ganz überzeugt
zu sein. Er schreibt: In St.-Euftache zu Paris hat Pierre Lemercier — wenn er es wirklich ist — ein
Werk ohne Vorgänger und ohne Nachfolger errichtet. Man fragt sich, ob hier die Gothik der Renaissance
den Handschuh hingeworfen oder umgekehrt1113).
Sehen wir zuerst die Theorie Paluftre's näher an. Ihr ganzer Aufbau beruht
auf zwei Hauptpunkten: 1) dass Pierre Lemercier wirklich der erste Architekt
1106) Siehe a. a. O., S. 18.
1107) Guilhermy, M. F. de. Itineraire archeologique de Paris. Paris 1855. S. 199.
1108) Siehe: Art. 423, S. 310 und Calliat, V. u. Le Roux de Lincy. L'lglise de St.-Euftache etc., a. a. O., S. 18.
1109) Siehe: Dictionnaire des Architectes francais, a. a. O., Artikel David.
m°) Siehe: La Renaissance en France, a. a. O. Paris 1879. Bd. I. Introduction, S. 6.
Uli) Im October 1895 sagte mir Herr Lucien Magne, es habe ihm einer seiner Freunde, der sehr gut die Archive
kennt, welche Paluftre bezüglich der Künstler der Familie Lemercier consultirt hatte, Folgendes versichert. Da Paluftre in
der Reihenfolge der Mitglieder dieser Familie eine Lücke fand, hätte er einfach einen Lemercier erfunden, um sie zu ver-
binden. Paluftre übrigens giebt selbst letztere Thatsache als eine »Hypothese« seinerseits zu.
1112) D' apres ce que je viens de vous dire, vous devez penjer que je Jerais egalement dispoje a accepter l'affirmation
de Linerol Jur le Premier architecte de St.-Euftache. Mais Id je n’ai aticune preuve a Journir . . . mais ne pourriez voits
admettre que si Linerol avait raijon, Dominique n'aurait egalement contribue d la conftruction que pour le plan general,
qui etonne par Ja grandeur et Jon etr angele, et que Vexecution aurait ete pourjuivie par Lemercier ?
1113) Siehe: Planat, a. a. O., Bd. VI, S. 373.
719.
Architekten
von
St.-Eujtache
und
St. -Maclou.