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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 1): Die germanischen und slawischen Länder: Deutschland einschließlich Schweiz und Elsass (Mittelalter), Süddeutschland (16. bis 18. Jahrhundert) — Leipzig, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.13167#0019
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Frühes Mittelalter bis zum Ausgang des 13. Jahrhunderts

unter Hinzufügung der Stifterin des Chores, der Gräfin Hedwig von Are. Leoninische Hexa-
meter begleiten in der üblichen Weise die Bildmotive. Die zweite Reihe schildert die
Kämpfe, die Abt Albert 1209 bis 1213 mit dem Grafen von Nürnberg-Are zu bestehen hatte.
Die Schlußbemerkung läßt auf Wirkereitechnik schließen22).

Auf das erste Dezennium des 13. Jahrhunderts scheint eine Folge, einst in S. Maximin zu
Trier, zurückzugehen, durch das Bildnis des Stifters — „ymago abbatis huius monasterii
Bartholomei qui obiit circa annum domini 1221" — zeitlich einigermaßen gesichert23), die
die vier Kirchenväter — Hieronymus, Ambrosius, Augustinus, Gregorius — neben die Pres-
byter Athanasius und Beda stellt und anschließend Gruppen zu zweien (Sokrates und Aristo-
teles, Boethius und die Philosophie, Diogenes im Faß und den Meisterdieb, Xenophon und
Discretio) sowie das Stifterbildnis des Abtes zu St. Maximin, Bartholomäus, bringt. Ein
zweiter Behang läßt, nach den begleitenden Versen zu urteilen, den Physiologus in den
hauptsächlichsten Vertretern der symbolischen Tierwelt — Phönix, Löwe, Panther, Ein-
horn, Hirsch — an Hand übertragener Beziehungen zu den Heilseigenschaften des Erlösers
aufmarschieren. Über die Art der Textur, ob es sich um Wirkereien oder Stickereien han-
delt, sagt der Text leider nichts.

4. Die Wandteppiche von Halberstadt und Quedlinburg.

Urkundliche Belege, soweit das südliche Niedersachsen in Frage kommt, sind äußerst
spärlich. Wir wissen lediglich aus der Chronik Winnigstädts24), daß außer der Äbtissin
Agnes zu Quedlinburg, der Tochter des Markgrafen Konrad von Meißen, die mit dem ge-
knüpften Teppich in Verbindung zu bringen ist, auch Ermgard von Kirchberg der Quedlin-
burger Schloßkirche einen Teppich und verschiedene Rücklaken beisteuerte. Ungewiß in
Hinsicht auf die Darstellung ist ein Behang, den eine zweite Tochter Konrads von Meißen,
Bertha, Äbtissin des Klosters Gerbstadt (1098 bis 1157) nach Hoppenrads Bericht25) mit
eigener Hand gewirkt haben soll: „sicut testantur rhytmi quos ipsa sua manu tapeto inte-
xuit ut ibi adhuc hodie conservantur".

Ob die Teppiche, die Gräfin Oda von Blankenburg zu Ausgang des 12. Jahrhunderts der
Domkirche zu Minden überwies26), — ein riesiger Behang, der die Siege der Heiligen über
die irdischen Reiche verherrlichte, zwei Rücklaken mit Bildern aus dem Leben der Heiligen
Petrus, Gorgonius und Dorotheus — in Wirk- oder in Knüpftechnik ausgeführt waren,
steht dahin. Der technische Ausdruck gibt sich, namentlich wenn es sich um den Unter-
schied von Wirken und Knüpfen handelt, durchweg allzu unklar. Selbst die Chronik der
Stiftsbibliothek in Quedlinburg, die sich mit dem uns überkommenen geknüpften
Teppich beschäftigt, spricht von „würken" nicht von knüpfen.

Der Halberstädter Domschatz verzeichnet drei Rücklaken, für die jeder urkundliche Be-
leg fehlt, den Abrahams-, den Apostel- und den Kaiser-Karl-Teppich. Es ist anzunehmen,
daß es sich um ursprünglichen Dombesitz handelt, Gewißheit besteht nicht. Die Behänge
sind, ihrer Bedeutung entsprechend, in der Literatur ungewöhnlich ausführlich behan-
delt27) . Es dürfte genügen, die wissenschaftlich anerkannten Tatsachen kurz zu registrieren
und sich lediglich auf die Erörterung zweifelhafter Fragen zu beschränken.

Der älteste der drei Behänge ist der Abrahamsteppich mit St. Michael. Als Material dient
Wolle, die weißen Stellen — nicht immer zugleich Lichter — sind in Leinenfäden durch-
geführt, die Textur — 5 bis 6 Kettfäden — ist mittelfein, die Technik sehr sorgfältig, die
untere Borte, ein Mäanderstreifen, ist nur in vereinzelten Fragmenten erhalten geblieben.
Die Abgrenzung der einzelnen Szenen erfolgt durch senkrecht verlaufende Schriftbänder,
die große zweite Abteilung wird durch stilisierte Bäume trennend aufgeteilt. Der Hinter-
grund, grün mit blauem Rahmen, ist von schmalen weiß-gelb-roten Streifen gefaßt. In der

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