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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 1): Die germanischen und slawischen Länder: Deutschland einschließlich Schweiz und Elsass (Mittelalter), Süddeutschland (16. bis 18. Jahrhundert) — Leipzig, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.13167#0274
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5. Würzburg.

a) Johann Thomas.

Die Errichtung des Würzburger87) Ateliers gründet sich auf die Prachtliebe der Bischöfe
aus dem Hause Schönborn; sie ist auf das engste mit der Erbauung des Würzburger und
des Wernecker Schlosses verknüpft. Was ist selbstverständlicher als die Ausschmückung
der Räume mit reichen Hautelissen! In ausgedehntem Maße werden die Erzeugnisse Brüs-
sels, die Arbeiten eines G. Peemans, Jan Francis van den Hecke u. a. aus Flandern bezogen
und mit hohen Summen bezahlt. Noch jetzt erzählen uns die Folgen der Geschichte Alex-
anders und der vier Elemente im Residenzschlosse zu Würzburg von der Vollendung der
Erzeugnisse der Hauptstadt Brabants. Die großen Kosten zur Beschaffung der Brüsseler
Tapeten, die außer dem reinen Erwerbspreis noch zahlreiche Provisionen, Reisen usw. be-
dingen, führen den Fürstbischof, im Einklang mit den damaligen sozialen Leitmotiven zur
Errichtung einer eigenen Manufaktur.

Um 1720 tritt der „Tapetten-Würckher Johann Thomas" in den fürstbischöflichen Dienst.
Der Meister ist Flame oder ein Angehöriger der Manufaktur Aubusson. Zum mindesten
läßt seine Sprache auf den Welschen schließen. Typisch ist die Unterschrift der Rechnungs-
belege in seiner späteren Funktion als Hoftapissier und Burgvogt zu Fulda: ,,J. Thomas,
bourfauque" (Burgvogt)88). Thomas erhält zunächst tägliche Besoldung, sodann von 1721
ab einen Jahreslohn von 100 fl. nebst freier Kost und Wohnung, und vom Jahre 1723 ab
200 Reichstaler. Thomas ist verpflichtet, mindestens zwei Lehrjungen auszubilden89). Der
Landesherr zahlt für deren Unterhalt ein entsprechendes Kostgeld, ein Verfahren, das bei
Gründung derartiger Unternehmungen allgemein üblich ist. Thomas geht nur langsam und
zögernd an seine neue Tätigkeit. Die zahlreichen Schreiben, deren Niederschlag sich noch
in den Hofkammerprotokollen im Kreisarchiv Würzburg erhalten hat, bezwecken weniger
die Förderung seiner Arbeiten; sie laufen vielmehr ständig auf Geldforderungen hinaus.
Von den beiden ihm überwiesenen Jungen geht der eine bereits vor Ablauf der Lehrzeit in
andere Dienste über; nur der zweite, der spätere Leiter der Manufaktur, Andreas Pirot, hält
aus. Die einzige Arbeit, die Thomas in Würzburg fertigstellt, ist, abgesehen von der Instand-
setzung alter Wirkteppiche, ein ,,Mariae bilt"90), das in dem Protokoll91) von 1725 als
„Mariae Heimsuchung" bezeichnet wird, ein damals beliebtes Wirkmotiv. Das Urteil über
des Meisters Werk ist nicht gerade freundlich. Die hochfürstliche Entschließung lautet:
,,Die bisherige arbeith des Tapetenwürckers Johann Thomas ist nit so beschaffen, daß er
anlass davon nehmen sollte, über die Ihme bewilligte 200 rthl. besoldung und kostgeld eine
weithere gnad dermahlen zu begehren, wie dann auch keine proben vorhanden, daß seine
Lehrjungen etwas besonderes gelernet hatten, wird dahero derselbe für jetzt und mit sei-
nem gesuch abgewiesen undt wird sich des ferneren zeigen wann Er andere arbeith von
mehrerem werth wird zu verfertigen bekommen und solle seine Jungen besser unterrich-
ten"92). Oktober 1724 sucht Thomas sein Einkommen auf eine neue Basis zu stellen. Er
schlägt vor, ihn stückweise für die zu liefernden Tapeten zu vergüten. Das Hochstift ver-
langt nähere Preisangaben; es ist ferner bereit, ihm ,,noch fähige Jungen, so dem Hochstift
obligat sein sollte", in die Lehre zu geben, das heißt ihn durch Zuwendung von Kostgeld
weitergehend zu unterstützen. Ende November des gleichen Jahres wird ihm die Ausbesse-

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