Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 2): Die germanischen und slawischen Länder: West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden,Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen — Leipzig, 1934

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13168#0061

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Torgau. Leipzig. Dresden. Weimar

Atelier zuzuschreiben. Unter den „Brustdebich mit golde gewirkt" finden wir die bekannte
Hohenmuelsche Folge der wilden Männer; auch die sechs Wirkereien mit dem sächsischen
und jülichschen Wappen sind Torgau zuzuweisen. Die unter V „Brustdebich one golt" ange-
führten Rücklaken mit der „Hern von Sachsen wappen" und „2 debich auf die vorbencke"
fallen in die letzte Weimarer Zeit Seger Bombecks. Das gleiche gilt von den Nummern 37,
38, 39, 40.

Der Anteil der Wirkereien, die Herzog Johann Wilhelm zufallen, nennt von den Tor-
gauer Arbeiten die Jonasfolge, ferner zwei Behänge mit dem Kindertanz, eine Wirkerei mit
„D. Waltherus und Lucas Whalen" — ein typischer Porträtteppich Torgauer oder Wei-
marer Provenienz — und sechs Stück mit dem chursächsischen und jülichschen Wappen.
Die Jagden — „ein lang schmal stuck von einer jhagt" und „Eilf stuck von der hirsß, seu-
und berenjagt" — sind Heinrich von der Hohenmuel zuzuschreiben. Sie scheinen sich auch
als Ausfuhrartikel besonderer Beliebtheit zu erfreuen. U. a. erwähnt das Nachlaßinventar
des pommerschen Herzogs Philipp I. vom 26. Februar 156033) unter Nr. 34 „Ein langes
schmales Torgower Stück darauf die Hirsch-Jagt". Die gleiche Vermögensauf Stellung nennt:
(Nr. 17) „ein Teppich oder Tischtuch, in der Mitte der Name Jesus, (Nr. 33) „Ein Tapt
darin Verbum domini über einen Tisch", typische Wiederholungen der in den Grimmen-
steiner Verzeichnissen aufgeführten Tischteppiche usw. Leider sind die urkundlichen Be-
lege zu unvollständig, um ein klares Urteil des zweifelsohne nicht geringen Exportes der
Torgauer Manufaktur zu ermöglichen. Ähnlich verhält es sich mit der Weimarer Manufak-
tur Seger Bombecks. So weist z. B. das Heidelberger Schloß nach dem Inventar von 1584
(München, Hausarchiv, Akt. 2408, fol. 239—87) „ein clein geviert stück neu dapezerei,
darinnen hertzog Hans Friedrich (des Mittleren) zu Sachsen contrafet" auf. Nicht uninter-
essant sind die Beziehungen Bombecks zu dem polnischen Königshaus. Als Neuerwerbung
zeigt 1553 Fürst Nikolaus Radziwill seinem Verwandten König Sigismund August von
Polen (1548—1572) in seinem Schlosse zu Wilno eine eigenartige Wirkerei, die Taufe
Christi in Gegenwart von Martin Luther und Johann Friedrich von Sachsen, nach einem
Holzschnitt von L. Cranach. Wahrscheinlich gab der Behang oder eine Wiederholung die
Anregung für eine spätere Kleinwirkerei (auf der Veste Coburg), diesmal nach einer Vor-
lage von Jakob Lucius34) (Abb. 34 b). Ich komme auf den eigenartigen Kleinbehang bei
der Besprechung der uns überkommenen Torgauer und Weimarer Wirkereien noch zurück.

Als Abschluß des archivalischen Teiles der Untersuchung bringt die Anmerkung 29 das
Inventar vom 28. Februar 1589. Die Aufstellung nennt eine ganze Reihe von Arbeiten Mei-
ster Heinrichs. Wir finden unter dem Titel „Grosse Tappecerey" zunächst „9 grosse Stü-
cken vonn den Riesen und Zwerge, so die berge zusammen tragenn". In der Torgauer Aus-
gabeanweisung von 1540 wird angeführt „4 gülden gr. vor visirunge (Kartons) als leisten
(Bordüren), die man zum bergkwerge gebraucht"35).

Die nächste Folge von 8 (nicht neun) Stück ist die der wilden Männer, zweifelsohne eine
Wiederholung der bekannten Torgauer Teppiche. Sie genießt noch in den folgenden Jahr-
hunderten ein besonderes Ansehen. Als Philipp Heinhofer am 16. Oktober 1617 das Dresde-
ner Schloß besichtigt, erregen die „Tapezereyn von wilden Leutten in der Cammer an Card.
Clesels Zümmer" sein Interesse. Noch mehr nehmen ihn allerdings die Wandteppiche des
steinernen Saals in Anspruch. Es ist die bekannte „Historia wie Churfürst Mauritz wider
den Türcken in Ungarn gezogen A. 1553 fein alles den nationen nach, die er bey sich ge-
habt, in hübsche Feldordnung außgethailet". Die Folge ging mit so vielen anderen Bildtep-
pichen durch den Schloßbrand vom Jahre 1701 zugrunde. Der Verlust des Türkenzuges
läßt sich vielleicht noch am ehesten verschmerzen. Es handelt sich nach Hainhofers Schil-
derung um eine Verherrlichung des Kurfürsten Moritz, dem die Bildteppiche mit Kaiser
Karls Taten36), den Kämpfen des Erzherzogs Albert37) und ähnliche Reihen als Vorbild

47
 
Annotationen