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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 2): Die germanischen und slawischen Länder: West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden,Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen — Leipzig, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.13168#0063

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T o r g a u. Leipzig. Dresden. Weimar

melfahrt, tragen die Brüsseler Marke, kommen also gleichfalls nicht in Betracht. Die Deu-
tung der im Inventar von 1565 angeführten, damals in Dresden vorhandenen „Patronen"
ist wesentlich einfacher. Um Kartons für Teppiche im Basselisseverfahren, das sowohl von
Hohenmuel wie von Bombeck nachweislich geübt wurde, kann es sich nicht handeln, da
dieselben dann in die durch die Technik bedingten üblichen schmalen Streifen zerschnitten
worden wären, also unter den „Tafeln und Tüchern" des Inventars keinen Platz gefunden
hätten. Dagegen ist es im 16. und 17. Jahrhundert ein recht häufig geübter Brauch, die
kostbaren, reich mit Gold und Silber gewirkten Teppiche, die einen außerordentlichen
Wert darstellten, nur an den höchsten Feiertagen aufzuhängen, während der übrigen Zeit
aber durch Patronen, d. h. durch Kopien zu ersetzen. Bei Hautelisseteppichen, die ein Zer-
schneiden der Kartons nicht erforderten, wurden naturgemäß die ursprünglichen Vorlagen
als Ersatz benutzt. Zweifellos stammen sowohl die Passionsteppiche wie auch die jetzt ver-
schwundenen Kartons aus Flandern und haben nichts mit unseren sächsischen Manufak-
turen zu schaffen.

Viel näher liegt die Wahrscheinlichkeit den golddurchwirkten, am unteren Ende be-
schnittenen Behang in der Sammlung Leopoldo Parodi-Delfino (Rom) — die Himmelfahrt
Christi (Abb. 34a) — einem sächsischen Atelier zu überweisen. Der Teppich mißt in der
Höhe 1,63 m, in der Länge 1,98 m; die Bordüre ist nicht mehr vorhanden. Das Kettfach ist
mit 6V2 Rippen auf einen Zentimeter verhältnismäßig eng. Das Stück stammt aus der ehe-
maligen Textiliensammlung der Herzöge von Parma. Die Gesichter der knienden Jünger zei-
gen ein gut ausgearbeitetes Inkarnat — Hellrot bis Rotbraun —; Haar und Bart erscheinen
in hellbraunen Tönen. Der Jünger links trägt ein hellblaues Gewand mit golddurchwirkten
Lichtern in den Ärmeln und dem Leibrock und einen gelbblauen Mantel mit rotbraunen
Schatten. Die Mittelfigur erscheint in gelbblauem Gewand mit hellblauem, in den Schatten-
lagen dunkelblauem Mantel. Die Farbengebung der Kleider des Jüngers (rechts) entspricht
der Gestalt zur Linken. In allen Fällen ist von dem Metallfaden reichlich Gebrauch ge-
macht. Der Hügel zu Häupten der Jünger zeigt hellgelbe und blaugrüne Tönungen. Die hel-
len Nuancen der Wolken — inmitten Christus, umgeben von den Vätern des Alten Bundes
(Moses, Abraham) und geflügelten Engelsköpfen, in der Höhe (links) schwebt Gottvater in
der Glorie mit dem vom Kreuz überhöhten Weltenapfel in der Linken — gehen an den
Rändern in dunklere bläuliche Töne über. Die seitlichen schmalen Flächen füllen Städte-
bilder (die Dächer der Häuser sind blaugrün) und Pflanzenmotive (links ein hoher Baum,
dessen technische Durchführung von der Brüsseler Manier stark abweicht, die eine wei-
chere, gleichmäßigere Verteilung von Licht und Schatten anstrebt).

Der Entwerfer des Teppichs suchte Anregung in den Dürerschen Kupferstichen und
Holzschnitten. Der Kopf des Jüngers (rechts) zeigt eine gewisse Verwandtschaft mit dem
rechts knienden Apostel von Dürers Himmelfahrt aus der Kleinen Passion39). Die Ähnlich-
keit ist verwischt durch den Umzeichnungs- und den Wirkereiprozeß. Das Haupt des Jün-
gers links zeigt gewisse, zum Teil schwache Anlehnungen an den Kopf des bärtigen Man-
nes im „Liebesantrag"40), an den schlafenden Jünger (Christus am ölberg)41), an Joachim
vor dem Engel42), Maria Himmelfahrt43) usw. Um unmittelbare Kopien handelt es sich in
keinem Fall.

Die Gruppe des zum Himmel steigenden Heilandes, mit den Vätern des Alten Bundes und
Gottvater, hat mit Dürerschen Vorlagen nichts zu tun; noch weniger die Stadtanlagen in
den schmalen Ausschnitten rechts und links, die als füllendes Motiv, in der Art der Brüsse-
ler Kulissentechnik, eingefügt sind.

Der Wirker ist zweifellos ein Brüsseler Meister, der aber fern der Heimat arbeitet.
Typisch für den Abwandlungsprozeß ist die Behandlung des Baumes (links im Hinter-
grunde), die Durchbildung des Hügels mit dem charakteristischen spärlichen Graswuchs,

7 Gäbel, Wandteppiche III, 2.

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