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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 2): Die germanischen und slawischen Länder: West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden,Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen — Leipzig, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.13168#0173

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England. Die Sheldon-Werkstätten

der-) ähnliche Gebilde umschließen Vasen, flankiert von Hermen; die allegorische Figur der
Karitas24), unter malerisch drapiertem Tuchbaldachin, leitet über zu der nächsten Trieder-
Hermen-Konstruktion; als Mittelstück der unteren Leiste erscheint eine Schrifttafel in
architektonischer Rahmung mit zwei „antikischen" Männern rechts und links; das Schema
wiederholt sich. Der Bordürenaufbau ist ausgesprochen niederländisch. Die Blumenvasen
im Laubengang sind ein beliebtes Brüsseler Motiv aus der zweiten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts25), das nicht nur zur Füllung der Bildfläche dient, sondern ebenso häufig in den
Rahmungen erscheint28). Das gleiche gilt von den Hermen als fassendes Glied27). Die ein-
geschobenen allegorischen Figuren (mit und ohne Baldachin) sind geradezu charakteri-
stisch für die Brüsseler und Oudenaarder Bordüren aus dem letzten Drittel des 16. Säku-
lums28). Der Baldachin über dem kämpfenden Herkules kehrt mit geringen Abwandlungen
wieder in einer ganzen Reihe brabantischer und flämischer Wandteppiche29). Kurz, die
Bordüren der Hyckesschen Landkarten sind niederländischen Vorbildern30) entlehnt. Be-
deutsam ist die Tatsache, daß zeitlich kaum ein Unterschied liegt zwischen der Entstehung
der Barcheston-Karten und den zum Vergleiche herangezogenen Behängen von Brüssel und
Oudenaarde. Von seiner Reise in Flandern (die rund 30 Jahre zurückliegt), kann Hyckes
die Kartons, die sich stilistisch ganz erheblich wandelten, nicht mitgebracht haben.
Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Entweder kopierte das Atelier Barcheston kürzlich von
Ralph Sheldon erworbene flämische Behänge oder Hyckes besorgt sich unmittelbar Kar-
tons aus den großen niederländischen Wirkerzentren, vielleicht mit Hilfe seiner Freunde
in der Great Wardrobe. Ein Kontakt muß in irgendeiner Form bestanden haben. Die Tech-
nik der Landkarten, insbesondere der Bordüren, zeigt durchschnittliches Können, jeden-
falls eine Schulung, die nur ein Wirker im geordneten Lehrgang erworben hat. Wie ver-
trägt sich diese Tatsache mit der kurzen (?) Ausbildung des Atelierleiters und seinen aus-
gesprochen englischen Hilfskräften?

Ein neues Licht auf die Eigenart des Spätbetriebes werfen die Feststellungen von A. J. B.
Wace, die sich auf zwei Landkartenfragmente vom Jahre 1632 beziehen. Es handelt sich
um 2 Stücke im Besitze des Majors Harcourt Vernon, eines Nachkommen der Familie Eyre.
Zur Wiedergabe gelangen der nördliche und der südliche Teil von Nottinghamshire. Das
eine Fragment trägt in der rechten oberen Ecke eine große Tafel mit der Inschrift

AT RAMPTON
MADE WEE WERE
BY MISTRESS
MARY EYRE

daneben erscheint die Jahreszahl 1632, darunter eine zweite Legende:

NOTTINGHAM
SHIRE, DESCRIB-
ED: HERE

Mary Eyre, Tochter des Anthony Eyre auf Rampton Manor (Nottinghamshire), eine ent-
fernte Kusine der Elisabeth Sheldon, berief Wirker des zwei Jahre zuvor verstorbenen
Francis Hyckes nach dem väterlichen Sitz. Die Technik der Karten ist einwandfrei, die
Zeichnung von ungewöhnlicher Klarheit und Genauigkeit, die Farbengebung frisch. Inter-
essante Kleindarstellungen, wie die Andeutung des Schlachtfeldes von Stoke, durch das
Zelt des deutschen Söldnerführers Martin Schwartz charakterisiert, Hirsche im Wald usw.,
erhöhen den Reiz308). Im übrigen lehnt sich das Schema an die Sheldonkarten von 1588 an.

Suchen wir ein Verbindungsglied mit der dem Jahre 1588 voraufgegangenen langen
Spanne, so kommt zunächst ein eigenartiger Behang im Besitze des Londoner Victoria and
Albert Museums in Betracht. Unter einem am Laubengang aufgehängten Baldachin prangt

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