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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 2): Die germanischen und slawischen Länder: West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden,Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen — Leipzig, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.13168#0198

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2. Thomas Poyntz.

Steht Francis Poyntz in engster Verbindung mit der Verwaltung der Great Wardrobe, so
arbeitet sein Bruder Thomas mehr in freiem Betriebe.

Der Meister bezieht 1676 aus der königlichen Kasse für eine nicht näher erläuterte Serie
von acht Behängen den Betrag von £45118s4d (bei einem Quadratellenpreise von
27 s 6 d). 1686 gelangen für Windsor Castle drei goldgewirkte Wandteppiche der Monats-
folge (Quadratellenpreis £ 8 10 s), zur Ablieferung, die durch vier weitere Teppiche der
gleichen Serie für das Schlafzimmer der Königin auf Whitehall ergänzt werden. Die Jahres-
zeitenreihe für Houghton Hall ist in alle Winde zerstreut. Ein vereinzelter Behang (Novem-
ber-Dezember) erschien 1902 auf einer Ghristie-Auktion. Die Bordüre — Vasen, üppige
Frucht- und Blumengehänge — trägt die Signatur des Thomas Poyntz und das Londoner
Stadtwappen. Die beiden Motive sind den alten Mortlake-Monaten entlehnt — Flachsschla-
gen, Schweineschlachten — und durch die für die späteren Wiederholungen typische dürre
efeuumwundene Säule getrennt. Der Teppich hängt heute — als Stiftung von Miß Randell
of Grosvenor — im Victoria and Albert Museum (Abb. 144 a).

Verwandte Jahreszeitenserien, zum Teil in sehr reichen Blumen-Ranken-Bordüren, fin-
den sich in der ehemaligen Sammlung Lambarde (Christie Sale, Dezember 1926), in Apley
Courth (Bridgnorth), Marple Hall (Stockport), Stoke Edith usw. Besonders reizvoll sind die
schmäleren Stücke: Frühling (Mann mit Hund, hühnerfütterndes Mädchen, Liebespaar),
Sommer (Kornmahd) (Abb. 146), Herbst (Wein- und Apfelernte), Winter (Schlittenfahrt,
nach einem Vorwurf von Van Schoor, oder Schweineschlachten). Im übrigen wech-
seln die Motive je nach Wunsch des Bestellers125).

Zweifelhaft ist die Zuschreibung zweier Teniers-Behänge im Besitze der Messrs. Mal-
lett128), von denen der größere das bekannte Motiv der zechenden und tanzenden Bauern
vor der Kneipe, der kleinere „Heuernte" und „Tanz" bringt. Ein drittes, schmales Stück

— „Bauer mit Esel" — ging aus der Puttick- und Simson-Auktion vom 13. Dezember 1929
gleichfalls in den Besitz der Herren Mallett über. Die Bordüre zeigt den Arabesken-Blumen-
Gewinde-Typ — in den Mitten der Längsrahmen ein kleiner Spaniel auf rotem Kissen —
der Brüsseler Arbeiten aus dem letzten Jahrzehnt des 17, Jahrhunderts, wie überhaupt die
Stücke stark flämisch-brabantischen Einschlag verraten.

Verwandte Behänge — Heuernte und die linke Seite der tanzenden und kneipenden Bau-
ern, ferner die „landenden Fischer" — finden sich inTurvey Abbey (Bedtordshire); die Bor-
düren beschränken sich auf ein einfaches Rahmenmotiv. Im Gegensatze hierzu verwertet
ein Teniersteppich — „Bucht mit Leuchtfeuer, Bauern und Fischer" — auf Bisham
Abbey eine reichere Rahmung mit Blumen, Früchten, Hunden (auf Kissen) und Vögeln.

Eine besonders eigenartige Folge hängt im Schloßmuseum zu Stuttgart, die nach Art der
Zeichnung und Technik wahrscheinlich als englisch anzusprechen ist (Abb. 144 b). Die Serie

— eigentlich zwei Reihen — schildert 1. die „Aufstellung des Maibaumes", 2. die „Zecher
an der Brücke", 3. die „Weinernte", 4. das „Schlittschuhlaufen", d. h. es handelt sich um
eine Jahreszeitenreihe. Für die englische Provenienz spricht die Durchbildung der Architek-
tur, die Verwendung von Schieferplatten zur Dachdeckung, die Wiedergabe des Fachwerkes
usw. Der Entwurf ist hart und ungeschickt. Ungewöhnlich ist die Farbenpalette — z. B.
Hellpurpur für das Holz werk —, bemerkenswert die Durchbildung der Bordüren: Vasen,
Schalen und Ranken auf schwarzem Grund.

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