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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 2): Die germanischen und slawischen Länder: West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden,Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen — Leipzig, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.13168#0203

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England. Soho

Eine Abwandlung der bereits erwähnten, von Francis Poyntz signierten Folge in Hard-
wick Hall (um 1680)142), besitzt die Sammlung Major Archer Houblon.

Die Anlehnung an die späten Mortlake-Teppiche der „Spielenden Kinder" in Boughton
House macht sich nicht minder stark in der Folge von Cotehele143) (sieben Behänge) gel-
tend, von der ein Stück die Signatur Vanderbanks trägt:

1. Der Bacchusknabe reitet auf der Ziege, von einem Gefährten gestützt;

2. zwei Jungen spielen mit einem aufgezäumten Ziegenbock, der eine plumpst herunter;

3. kleine Burschen bedienen eine Kufe, die Gefährten schleppen Weintrauben herbei144);

4. eine Kopie;

5. Junge im Baum und kletternder Faun;

6. Putto am Löwenbrunnen, ein kleiner Gefährte liegt am Boden, die Kameraden begießen
ihn mit Wasser und Traubensaft;

7. ein Bruchstück: zwei kleine Faune tanzen und pfeifen.

Wiederholungen des zweiten Motivs (die Variation des Behanges von Thomas Poyntz),
gleichfalls in der für Soho typischen Eierstab-Rahmung. finden sich in der Sammlung der
Mrs. Fetherston-Godley und im Kunsthandel145).

Ein Exemplar der Weinernte in der Akanthus-Bordüre verzeichnet „The Ffoulke Collec-
tion of Tapestries" (New York, 1913, S. 176; H. 8 ft. 8 in., L. 14 ft. 10 in.); das Stück ging
in den Besitz von Mr. David Warfield über.

Die „Bacchanalien" und „spielenden Kinder" stehen in verwandten Beziehungen zu dem
großen Gebiete der „Ovidschen Metamorphosen", das in der englischen Bildwirkerei eine
besondere Rolle spielt. Die beiden, bereits erwähnten Mortlake-Behänge — Diana und Kal-
listo, Kephalus und Prokris — scheinen Teile einer frühen Metamorphosenfolge gewesen zu
sein, die im Entwurf möglicherweise die späteren Serien beeinflußte. Die folgenden Reihen
sind fast durchgängig auf den Typ der billigen Marktware eingestellt: kleine Figuren auf
Verdürengrund, zum Teil in dürftiger Zeichnung und grober Technik mit einfacher stili-
sierter bandumwundener Lorbeerblattrahmung. An der Erzeugung der Metamorphosen-
serien sind die verschiedensten Mortlake-Nachfolge-Manufakturen beteiligt. Auf Grund der
charakteristischen Farbengebung und der Eierstabbordüre nimmt H. C. Mariliier eine Folge
(fünf Behänge) in Arundel Castle für Soho in Anspruch; das gleiche gilt von ähnlichen
Stücken im Besitze der Spanish Art Gallery usw. Die Hauptmasse entfällt auf die Tätigkeit
eines bislang unbekannten englischen Wirkers. Einzelheiten führen an dieser Stelle zu
weit146).

Ganz aus dem üblichen Rahmen fallen drei in Chinablau und Silber (für die Lichter)
gewirkte Behänge in Burghley: 1. Venus mit einem Kind an der Brust, 2. die sitzende Pal-
las mit Speer und Gorgonenschild, 3. ein architektonisches Gartenmotiv mit einer großen
Blumenvase im Vordergrund. In der unteren Bordüre der beiden Gottheiten erscheinen Kar-
tuschen mit lateinischen Inschriften, signiert F • H •, in der gleichen Lösung wie in der Van-
derbankschen Elementenfolge auf Burghley147). Ein verwandtes Stück in Blau und Silber
— Moses und die Gesetzestafeln — befand sich vor einigen Jahren auf Arundel Castle.

Zweifelhaft — ob Soho — ist die Zuschreibung von vier Allegorien — Zeit (mit Sichel)
und Ewigkeit (zwei Putti mit dem Schlangenring) in Madingley Hall sowie „Tranquillitas"
und „Previdentia" (weibliche Figuren vor Verdüren und Architekturgrund) in der Christie-
Auktion vom 5. Mai 1927 —, die um 1700 entstanden sein dürften.

Die gleiche Unsicherheit besteht für die Diogenesfolge — 1. Alexander besucht Diogenes
in seiner Tonne (einer Gobelinfölge Le Bruns, Geschichte Alexanders, entlehnt), 2. Philo-
sophen disputieren mit Diogenes, 3. der Weise schreibt auf eine Supraporte, die die In-
schrift „Nihil hic ingrediatur mali" trägt, 4. Diogenes an den Ruinen Karthagos, 5. die
Schule des Sokrates, 6. die Schule des Plato —. die in zwei Bordürenfassungen erscheint.

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