538 J.Fr.Flatt, Vorles. über Jen Brief an die Römer.
„Gerechtigkeit" für Rechtschasfenheit, und dann die Ge-
wohnheit, das Wort Gerechtigkeit juridisch, nicht mo-
ralisch zu nehmen, konnte diese Verwechslung möglich
machen. Im äussetlichen Recbtsgebiet kann einer in des an-
dern Namen dem Recht genugthun, und nun seine Rechtlich-
keit auf diesen übertragen und für ihn gelten lassen. Aber
dals einer statt des andern rechtschaffen sey im morali-
schen Sinn und jene Rechtschaffenheit diesem statt der eigenen
gelte oder zugerechnet werde, ist undenkbar an sich, sobald
das moralische Verhältnis gedacht ist , wo ohne eigenes Ge-
wollthaben weder Rechtwollen noch Sündigen eintreten kann.
Wie aber war sogar anzunehmen, dass 3sou soviel als
eine&mzsmo-^, eine Rechtfertigung, eine (göttliche) Ge-
rechtsprechung sS 8l.) sey, wodurch der Nichtrecht-
schaffene doch als rechtschaffen behandelt und theils mit Straf-
freiheit, theils sogar mit Beseeligung begnadigt werde?
Würde der Apostel 1, j7, und 3, 21. gesetzt haben,
wenn er eigentlich von &xanu<7<; zu reden gedacht hätte? Und
wie künstltch (wenn gleich gutmüthig) ist alsdann bei dem
Verf. die weitere Verwechslung, dass S. )2. das, was sonst
Rechtfertigung heisst, ampassendsten als Begnadigung
zu denken sey! Dies ist das gefährliche Spiel der Bedeutungs-
verwechslungen, wodurch man von Einer Bedeutung am Ende
auf die geradezu entgegengesetzte kommen kann. Das hier
eintretende Beispiel beruht auf folgendem falschen Sorites :
Rechtschaffenheit ist in gewissen Fällen Güte, wenn
man nämlich durch ein Wohlwollen, welches der Andre nicht
als sein Recht fordern könnte, das Rechte erweisen will.
Güte ist in gewissen Fällen Gnade, wenn man Wohlwollen
Beweist, nicht weil es das Rechte ist, sondern weil es den
Gönner so beliebt. Gnade aber kann bisweilen sogar Be-
gnadigung seyn , wenn der Schuldige frei ( vielmehr : will-
kührlich) wie nichtschuldig behandelt, straffrei erklärt, so-
gar mit Vortheilen begünstigt wird. . . Folglich kann
crj]^ (3:o-j) in einer gewissen Reihe von Stellen das klare Gegen-
theil vom Schaffen des Rechten, nämlich Begnadigung, Ge-
rechtsprechung der nichtgerechten bedeuten. Wohin führt
solche dogmatisch prästabilirte Exegese? Dem gerechten
Gott eine Gerechtsprechung der Nicbtgerecbten , die er aber
doch wie gerecht behandeln wolle, unter dem Namen
oder 3,zuzuschreiben? Wo auch nur im bürgerlichen
Verhältnis würde man sagen : Jener als nichtrecbtscbaffen
doch begnadigte ist nun gerechtfertigt (justibcatusj?
So spricht und denkt niemand. Hat einen auch die Gnade
„Gerechtigkeit" für Rechtschasfenheit, und dann die Ge-
wohnheit, das Wort Gerechtigkeit juridisch, nicht mo-
ralisch zu nehmen, konnte diese Verwechslung möglich
machen. Im äussetlichen Recbtsgebiet kann einer in des an-
dern Namen dem Recht genugthun, und nun seine Rechtlich-
keit auf diesen übertragen und für ihn gelten lassen. Aber
dals einer statt des andern rechtschaffen sey im morali-
schen Sinn und jene Rechtschaffenheit diesem statt der eigenen
gelte oder zugerechnet werde, ist undenkbar an sich, sobald
das moralische Verhältnis gedacht ist , wo ohne eigenes Ge-
wollthaben weder Rechtwollen noch Sündigen eintreten kann.
Wie aber war sogar anzunehmen, dass 3sou soviel als
eine&mzsmo-^, eine Rechtfertigung, eine (göttliche) Ge-
rechtsprechung sS 8l.) sey, wodurch der Nichtrecht-
schaffene doch als rechtschaffen behandelt und theils mit Straf-
freiheit, theils sogar mit Beseeligung begnadigt werde?
Würde der Apostel 1, j7, und 3, 21. gesetzt haben,
wenn er eigentlich von &xanu<7<; zu reden gedacht hätte? Und
wie künstltch (wenn gleich gutmüthig) ist alsdann bei dem
Verf. die weitere Verwechslung, dass S. )2. das, was sonst
Rechtfertigung heisst, ampassendsten als Begnadigung
zu denken sey! Dies ist das gefährliche Spiel der Bedeutungs-
verwechslungen, wodurch man von Einer Bedeutung am Ende
auf die geradezu entgegengesetzte kommen kann. Das hier
eintretende Beispiel beruht auf folgendem falschen Sorites :
Rechtschaffenheit ist in gewissen Fällen Güte, wenn
man nämlich durch ein Wohlwollen, welches der Andre nicht
als sein Recht fordern könnte, das Rechte erweisen will.
Güte ist in gewissen Fällen Gnade, wenn man Wohlwollen
Beweist, nicht weil es das Rechte ist, sondern weil es den
Gönner so beliebt. Gnade aber kann bisweilen sogar Be-
gnadigung seyn , wenn der Schuldige frei ( vielmehr : will-
kührlich) wie nichtschuldig behandelt, straffrei erklärt, so-
gar mit Vortheilen begünstigt wird. . . Folglich kann
crj]^ (3:o-j) in einer gewissen Reihe von Stellen das klare Gegen-
theil vom Schaffen des Rechten, nämlich Begnadigung, Ge-
rechtsprechung der nichtgerechten bedeuten. Wohin führt
solche dogmatisch prästabilirte Exegese? Dem gerechten
Gott eine Gerechtsprechung der Nicbtgerecbten , die er aber
doch wie gerecht behandeln wolle, unter dem Namen
oder 3,zuzuschreiben? Wo auch nur im bürgerlichen
Verhältnis würde man sagen : Jener als nichtrecbtscbaffen
doch begnadigte ist nun gerechtfertigt (justibcatusj?
So spricht und denkt niemand. Hat einen auch die Gnade