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I

16 Diecks Die Gewissensehe etc.
dass dieses Zeugniss vollkommen glaubwürdig sey, beruht, so ver-
steht sichs von selbst, dass andrerseits der Inhalt dieses Zeugnisses
die einzige Quelle ist, aus welcher die Antwort auf jene Frage
geschöpft werden kann. Ist die Frage nach dem Inhalte dieses
Zeugnisses zu verneinen, so ist sie, nach der Lage der Sache,
schlechthin gegen den Beklagten zu entscheiden.
Es ergibt sich aber aus dem Zeugnisse des Pfarrers Hausing
gleich auf den ersten Blick, dass bei der Abschliessung der oft-
gedachten Gewissensehe die Absicht der Partheien schlechterdings
nicht darauf gerichtet war, dass der Sara Margaretha Gerdes alle
Rechte einer förmlich angetrauten Gemahlin oder den gemeinschaft-
lichen Kindern alle Rechte ehelicher Kinder zuTheil werden sollten.
Sondern die Uebereinkunft hatte, wie aus jenem Zeugnisse sofort
und unzweideutig hervorgeht, nur den Sinn und Zweck, dass unter
den Eheleuten eine sogenannte morganatische Ehe bestehen sollte,
d. i. dass zwar die Partheien einander dieselben Pflichten, wie Ehe-
leute, zu leisten, auch einander dieselbe Treue, wie Eheleute, zu
bewahren hätten, dass dagegen weder der Ehegattin die Vorrechte
einer ebenbürtigen Gemahlin, noch den Kindern, die in dieser Ehe
gezeugt werden würden, die Familienrecbte ehelich und standes-
mässig erzeugter Kinder zustehen sollten. Das geht aus dem Zeug-
nisse des Pfarrers Hausing auf das Bestimmteste hervor, wenn man
erwägt, dgss, zufolge dieses Zeugnisses,
der Graf Wilhelm Gustav Friedrich von Bentinck, aus wichtigen
Gründen und durch Familie n verhältnisse verhindert, eine
zweite öffentliche Ehe einzugehen, nur um eine treue Le-
bensgefährtin und im Alter eine Pflegerin zu ha-
ben, in die in Frage stehende Gewissensehe trat, — dass er
das Mädchen seiner Wahl nur für eine Stellvertreterin
seiner verewigten Gemahlin erklärte, — dass er ihr nur alle
ehelichen Rechte und Pflichten zugestand, — dass er in
* seiner an den Pfarrer Hausing gerichteten Erklärung der Kin-
der, die er in dieser Ehe erzeugen wrürde, überall nicht ge-
dachte, — dass er den Söhnen, die er mit seiner zweiten
Ehegattin in der Folge erzeugte, nur seinen Stammnamen,
(nicht aber auch seinen gräflichen Titel) beilegte, — dass er
erst dann, als sein Sohn erster Ehe mit Tod abge-
gangen war, den Entschluss fasste, seine Gewissensehe
in eine förmliche Ehe zu verhandeln.
(Fortsetz ung folgt.)
 
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