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von Michellen und Hach.

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dass der kenntnissreiehe Verfasser besonders dem prozessualischen
Verfahren bei den Oberhöfen seine Aufmerksamkeit zugewandt,
und dadurch in die bisher in vieles Dunkel gehüllte Lehre ein
längst erwünschtes Licht gebracht hat. Der Verf. gibt zugleich
eine genaue diplomatische Nachweisung über den weiten Umkreis,
welchen der Oberhof zu Lübeck durch die Verbreitung des Lübi-
schen Stadtrechtes nach und nach gewonnen hat, bis zu dem end-
lichen allmähligen Aufhören seiner Wirksamkeit, und theilt hierauf
eine reiche Sammlung von zahlreichen Rechtssprüchen dieses ehe-
maligen Oberhofes mit, was für die Wissenschaft von um so grös-
serer Bedeutung ist, als das Schöffenrqcht überhaupt die eigentli-
che Quelle der Rechtsbildung in Deutschland bis zu dem 16 Jahr-
hundert gewesen ist, und die mitgetheilten Urtheile aus einer Zeit
herrühren, in welcher das fremde Recht schon das einheimische
zu unterdrücken drohte, aber auf überraschende Weise zeigen,
wie sowohl das Privatrecht als das Prozessrecht von dem Einflüsse
des röm. und canon. Rechtes bis in das 16. Jahrhundert hinein fast
ganz rein und unabhängig sich erhalten haben. Desto bemerkens-
werther ist es, dass wir hier eine Procedur gewahren, welche mit
dem römischen Rechte unbekannt, dennoch einen entschiedenen
Parallelismus zu dem aitröimschen Prozesse darbietet, was sich
nicht blos in dem striktesten Halten auf die Form und den Buch-
staben ausspricht, sondern in Hauptinstituten des Prozesses selbst
hervortritt. Der Verf. hat, um diese von ihm aufgestellte Behaup-
tung zu rechtfertigen, diesen Parallelismus in der Lehre von der
Litiscontestation in seinem Vorworte mit eben so viel Geist als
Geschick nachgewiesen. Vielleicht ist aber hier die Bemerkung
nicht am Unrechten Orte, dass überall im altgermanischen Rechte,
namentlich in dem der früheren , d. h. merovingischen und karo-
lingischen Zeit eine solche auffallende Uebereinstimmung mit dem
altrömischen Rechte nicht nur zwischen den Rechtsformen und den
Rechtssymbolen, sondern auch in dem innersten Wesen der Rechts-
institute selbst, namentlich des Privatrechtes unverkennbar hervor-
tritt,. und sich dem Forscher allenthalben eine solche Fülle von
Vergleichungspunkten darbietet, dass sieb kaum hier von Zufäl-
ligkeiten sprechen lassen dürfte, und auch nicht der von Mich ei-
sen für diese eigentümliche Erscheinung angegebene Grund, dass
gleiche Ursachen auch gleiche Wirkungen hervorbringen, für den
einzigen oder als allein für die Aufklärung dieser Sonderbarkeit
ausreichend erkannt werden möchte. Rechnen wir noch hinzu, dass
auch von dem Standpunkte der neuesten sprachlichen Forschungen
 
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