Heidelberger Jahrbücher der Literatur (38,1.1845)

Nr. 4-

HEIDELBERGER

1845

JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Oll: Geschichte der letzten Kümpfe Napoleon’s.
( B es c hlus s.)
Den kurzen, in seinen einzelnen Zügen so gigantischen
und in seinem Ganzen das gewöhnliche Mass überschreitenden
Krieg (v. Grolman’s Ausdruck im Feldzug des Jahres 1815 I, 6)
hat Herr Ott dem Wesentlichsten nach wahrhaftig, treu und le-
bendig im eilften Kapitel beschrieben. Ref. erlaubt sich daher
nur wenige ergänzende und berichtigende Bemerkungen, welche
zum Theil dem musterhaften Werke des Generals von Grolman
entnommen sind. Allerdings hatte Napoleon im März und April
Gelegenheit zu einem wahrscheinlich glücklichen Angriff des nur
schwach besetzten Belgiens, aber die Stimmung der hohem
Beamten und selbst des Pariser Publicums verleiteten den gebor-
nen Kriegesfürsten zur misslichen Friedensregierung. Auch
durfte er auf den nachdrücklichsten Beistand zählen, wenn nlle
Sühnopfer fehlschlugen, und das letzte Waffengericht erfolgte.
Diese vcn Ott S. 216 richtig gewählte Deutung des rein defen-
siven Benehmens, welches der vom Kongress geächtete Soldaten-
kaiser Wochen lang zu seinem eigenen Schaden beobachtet, hat
jedoch auch einen militärischen Grund. Der Preussische Ge-
neral Kleist nämlich zog bereits im Märzmonat seine zerstreuten
Streitkräfte so rasch zusammen, dass er in Verbindung mit dem
H o 11 ä n d i sch-E n g 1 i sch e n Heere unter dem Erbprinzen von
Oranien stark genug war, um einer feindlichen Offensive auf die
Niederlande mit Nachdruck begegnen zu können (Feldzug des
Jahres 1815 I, 9). — Das Zeit und Thatkraft lähmende Spiel mit
den co nstituti on eil en Formen, mit der durch ein Decret vom
24. März gegen allen sonstigen Brauch verliehenen Pressfrei-
heit (Ott II, 218), die einzelnen, fast nothwendigen Rückfälle
in das alte kaiserliche Regiment und die aus Reue über ge-
äusserte Liberalität entsprossenen Widersprüche, — solche
Grundsätze und Staatsactionen forderten peinliche Selbstbeherr-
XXXV1H. Jahrg. I. Doppelheft. 4