Nr. 17. HEIDELBERGER 1845.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Kirchliche 'Auslände.
(Fortsetzung. )
Man kann sich denken, welche Ansichten und Dinge durch
die Methodisten, durch Hengstenberg und seine evangelische Kir-
chenzeitung und dergleichen in England verbreitet worden sind.
Versuche doch nur jeder deutsche Leser einmal nach den Be-
richten in dieser Kirchenzeitung und den mit ihr zusammenhän-
genden Blättern, sich irgend ein vernünftiges Urtheil zu bilden!
Eine richtige Darstellung der ganzen Sachlage ist schon für einen
Deutschen, selbst für einen mit dem Gange, den die Philosophie
und Theologie bei uns genommen hat, Vertrauten, eine schwierige
Aufgabe, wie vielmehr für einen Engländer, der hier in ein La-
byrinth von Literatur hineingestürzt wird, bei welcher ihm kein
Faden der Ariadne, sondern meist nur der Zufall leiden wird und
kann. Verstösse sind hier kaum zu vermeiden. Herr Beard hat
mehr vom historischen als vom philosophischen Standpuncte aus
seine Aufgabe zu lösen versucht, und sein ruhiges, mildes, von
reiner Wahrheitsliebe geleitetes Urtheil hat ihn meist das Richti-
gere herausiinden, alle Härten aber vermeiden lassen. Der An-
fang wird mit einigen biographischen Angaben gemacht, wo es
jedoch gleich auf der ersten Seite ein Irrthum ist, wenn Schlei-
ermacher als ein Schüler Hegel’s bezeichnet wird. Richtig
wird entschieden, dass die Strauss - Hegerseben Grundsätze sich
mit den Grundsätzen des Christenthums nicht vereinigen lassen;
aber es hätte, auch nachdrücklich hervorgehoben werden sollen,
dass Strauss selbst es war, und dass er der erste war, der
diess Verhältniss der Hegei’schen oder speculativen Philosophie
ehrlich, offen und unumwunden aufgedeckt und klar ausgespro-
chen hat. Diess ist in des Ref. Augen Strauss’s höchstes Ver-
dienst, und er hat sich desshalb mit Theilnahme, ja selbst mit
Liebe zu Strauss, dessen Standpunkt er nicht theilt, hingezogen
gefühlt. Denn die offen ausgesprochene Ueberzeugung, die Wahr-
XXKV1II. Jahrg. 2. Doppelheft 17
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Kirchliche 'Auslände.
(Fortsetzung. )
Man kann sich denken, welche Ansichten und Dinge durch
die Methodisten, durch Hengstenberg und seine evangelische Kir-
chenzeitung und dergleichen in England verbreitet worden sind.
Versuche doch nur jeder deutsche Leser einmal nach den Be-
richten in dieser Kirchenzeitung und den mit ihr zusammenhän-
genden Blättern, sich irgend ein vernünftiges Urtheil zu bilden!
Eine richtige Darstellung der ganzen Sachlage ist schon für einen
Deutschen, selbst für einen mit dem Gange, den die Philosophie
und Theologie bei uns genommen hat, Vertrauten, eine schwierige
Aufgabe, wie vielmehr für einen Engländer, der hier in ein La-
byrinth von Literatur hineingestürzt wird, bei welcher ihm kein
Faden der Ariadne, sondern meist nur der Zufall leiden wird und
kann. Verstösse sind hier kaum zu vermeiden. Herr Beard hat
mehr vom historischen als vom philosophischen Standpuncte aus
seine Aufgabe zu lösen versucht, und sein ruhiges, mildes, von
reiner Wahrheitsliebe geleitetes Urtheil hat ihn meist das Richti-
gere herausiinden, alle Härten aber vermeiden lassen. Der An-
fang wird mit einigen biographischen Angaben gemacht, wo es
jedoch gleich auf der ersten Seite ein Irrthum ist, wenn Schlei-
ermacher als ein Schüler Hegel’s bezeichnet wird. Richtig
wird entschieden, dass die Strauss - Hegerseben Grundsätze sich
mit den Grundsätzen des Christenthums nicht vereinigen lassen;
aber es hätte, auch nachdrücklich hervorgehoben werden sollen,
dass Strauss selbst es war, und dass er der erste war, der
diess Verhältniss der Hegei’schen oder speculativen Philosophie
ehrlich, offen und unumwunden aufgedeckt und klar ausgespro-
chen hat. Diess ist in des Ref. Augen Strauss’s höchstes Ver-
dienst, und er hat sich desshalb mit Theilnahme, ja selbst mit
Liebe zu Strauss, dessen Standpunkt er nicht theilt, hingezogen
gefühlt. Denn die offen ausgesprochene Ueberzeugung, die Wahr-
XXKV1II. Jahrg. 2. Doppelheft 17