DOI Heft:
Nr. 23
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.42005#0361
Nr. 23.
HEIDELBERGER
Schaumann und v. Gagern: Der %iceite Pariser Frieden.
(Fortsetzung.)
Die Bestrebungen und Tendenzen der Revolutions- und
Kaiserperiode sind keineswegs für immer begraben und dem
Bewusstseyn des entzündlichen, kraftvollen und militärischen Fran-
zosenthums entrückt worden. Unabhängig von aller Politik, das
heisst, Grundsätzen der Verfassung, bleibt die territo-
riale Abrundung zweier grossen, vorwärts strebenden Völ-
kermassen, welche selbst durch das Bild der Geschichte mehr
oder weniger dabei bewegt und gedrängt werden. Der Fran-
zose gedenkt seines jüngsten Besitzes längs dem Rhein, der
Mosel und Maas; ihm erscheint die erlittene geringe Schmälerung
als Eingriff in das historische Recht seiner glanzvollsten und
mächtigsten Pictatur; Denkmäler, Schau- und Todtengepränge,
illustrirte. einseitige Geschichten, auf die jüngere Generation über-
gehende Traditionen der ältern , diese und ähnliche Mittel unter-
halten einen stillen Cultus des kaiserlichen Militärreiches und
geben dem Volkscharakter eine an sich ehrenwerthe, thatkräftige
Geschlossenheit. Wenn nun der unabwendbare kritische
Augenblick nahet, etwa bald nach dem Tode des gegenwärtigen
Oberhauptes die gährenden Kräfte den Deckel sprengen und als
Monarchie oder Republik ihr Banner entfalten, glaubt dann
Teutschland in seinem gleichfalls schleichenden Unbehagen,
seinen socialistisc h-co m mu n is t i s c h-li t erarisohen Luft-
gebilden, illustrirten Uebersetzungen der Thiers’sehen Napo-
leonshistorien und Sue’schen ewigen Judenromane ein Unter-
pfand des Friedens zu finden? Unmöglich. Teutschland muss
daher jetzt, wo es Zeit hat, seine politisch-militärischen
Einrichtungen verbessern, temporäre Ausnahmsgesetze bei
dermalen veränderter Zeiüage ganz oder theilweise zurüeknehmen,
über staatsbürgerliche Vergehn den Deckmantel der Am-
nestie werfen, den Process Jordnn’s entweder rasch erledigen
XXWill. Jahrg. 3. Doppelheft 23
HEIDELBERGER
Schaumann und v. Gagern: Der %iceite Pariser Frieden.
(Fortsetzung.)
Die Bestrebungen und Tendenzen der Revolutions- und
Kaiserperiode sind keineswegs für immer begraben und dem
Bewusstseyn des entzündlichen, kraftvollen und militärischen Fran-
zosenthums entrückt worden. Unabhängig von aller Politik, das
heisst, Grundsätzen der Verfassung, bleibt die territo-
riale Abrundung zweier grossen, vorwärts strebenden Völ-
kermassen, welche selbst durch das Bild der Geschichte mehr
oder weniger dabei bewegt und gedrängt werden. Der Fran-
zose gedenkt seines jüngsten Besitzes längs dem Rhein, der
Mosel und Maas; ihm erscheint die erlittene geringe Schmälerung
als Eingriff in das historische Recht seiner glanzvollsten und
mächtigsten Pictatur; Denkmäler, Schau- und Todtengepränge,
illustrirte. einseitige Geschichten, auf die jüngere Generation über-
gehende Traditionen der ältern , diese und ähnliche Mittel unter-
halten einen stillen Cultus des kaiserlichen Militärreiches und
geben dem Volkscharakter eine an sich ehrenwerthe, thatkräftige
Geschlossenheit. Wenn nun der unabwendbare kritische
Augenblick nahet, etwa bald nach dem Tode des gegenwärtigen
Oberhauptes die gährenden Kräfte den Deckel sprengen und als
Monarchie oder Republik ihr Banner entfalten, glaubt dann
Teutschland in seinem gleichfalls schleichenden Unbehagen,
seinen socialistisc h-co m mu n is t i s c h-li t erarisohen Luft-
gebilden, illustrirten Uebersetzungen der Thiers’sehen Napo-
leonshistorien und Sue’schen ewigen Judenromane ein Unter-
pfand des Friedens zu finden? Unmöglich. Teutschland muss
daher jetzt, wo es Zeit hat, seine politisch-militärischen
Einrichtungen verbessern, temporäre Ausnahmsgesetze bei
dermalen veränderter Zeiüage ganz oder theilweise zurüeknehmen,
über staatsbürgerliche Vergehn den Deckmantel der Am-
nestie werfen, den Process Jordnn’s entweder rasch erledigen
XXWill. Jahrg. 3. Doppelheft 23