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Blunlschli: Allgemeines Staatsrecht. 563
wichtigen Wahrheit nicht näher eingehen; allein ich bemerke, dass
jene Einseitigkeit sich nur auf dein Titel des Werkes befindet,
dass in dem Werke selbst die philosophische Auffassung durchaus
nicht fehlt und wenigstens der Versuch gemacht ist, eine tiefere ge-
schichts-philosophische Begründung durchzuführen. — Auch in dem
Cap. IX, wo sich der Verf. über die Methode der Behandlung aus-
spricht, erkennt er die Nothwendigkeit an, die philosophische und
historische Methode zu einer Einheit zu verbinden.
Die Einleitung S. 1-20 grenzt das Gebiet des allgemeinen
Staatsrechts von andern Rechtsgebieten ab. Im zweiten Kapitel wird
der Gegensatz zwischen Staatsrecht und Privatrecht erörtert.
Allerdings kommt der Verf. nicht viel über die bekannte Definition
des Ulpian (L. 1. §. 2. D. de juslitia et jure) hinaus. „Das Staats-
recht wird seinem Inhalte nach von dem Staate bestimmt und ist
der Willkür der Privatpersonen entrückt. Das Privatrecht dagegen
erhält seinen Inhalt grösstenteils im Allgemeinen von der Natur
und den Zuständen der Privatpersonen und im Besondern von ihrem
Willen. In dem Staatsrecht herrscht der Geist des Ganzen, im Pri—
vatrechl waltet der Geist des Einzelnen.“ In der That ist eine haar-
scharfe Abgrenzung der beiden Gebiete nicht möglich; das Staats-
und Privatrecht stehen zu einander nur in einem relativen Ge-
gensätze; Staats- und Privatrecht sind nicht zwei verschiedene Arten,
sondern nur zwei verschiedene Beziehungen des einheitlichen Rechts-
princips.
In den folgenden Kapiteln der Einleitung werden die Quellen
des Staatsrechts abgehandelt: Gesetz, staatlicher Vertrag, Herkommen,
Gewohnheit, Wissenschaft (?). Hierbei wird auch die hohe Bedeu-
tung des Besitzes im Staalsrechl hervorgehoben und die Theorie
der fails accomplis und der Legitimität kritisirt. Beide Theorien
werden in ihrer Einseitigkeit verworfen und ein Mittelweg einge-
schlagen, welcher sowohl der Macht der Thatsachen als dem Rechts-
princip Rechnung trägt. Dieselbe Frage von der Legitimität
wird mit besonderer Berücksichtigung auf das monarchische Princip
S. 376 behandelt. Uns scheint diese Frage nur dann glücklich ge-
löst werden zu können, wenn man die verschiedenen Bezie-
hungen der Legitimität scharf in das Auge fasst, was der Verfasser
nicht hinreichend gethan hat. Unserer Ansicht nach kann die Frage:
ob eine Regierung resp. ein Monarch legitim sei? nie absolut, son-
dern nur beziehungsweise beantwortet werden. Die möglichen Rechts-
beziehungen einer bestehenden Regierung sind dreifach: I) zu den
Unterlhanen, 2) zu fremden Regierungen, 3) zu einem Individuum,
welches aus einem altern Titel zur Herrschaft berechtigt ist. —■
Eine Regierung kann darnach in einer Beziehung legitim sein, in
der andern nicht. Den Unterlhanen gegenüber wird eine Regierung
legitim, sobald sie sich in vollen Besitz der Staatsgewalt gesetzt hat.
Besonderes Gewicht muss man hier auf den Umstand legen, ob die
höchsten Landesgerichte eine Regierung anerkannt haben oder nicht.
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