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Nr. 50.

HEIDELBERGER

1853.

JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

M u r z e A z e s g e is <
(Schluss.)
„Was nun bestimmter den hebräischen Rhythmus und die Versbildung be-
trifft, so erhält (nach des Verf. Ansicht, S. 25) jede Verszeile zwei betonte
Silben, oder zwei Hebungen. Diesen beiden, durch den Accent hervorgehobenen
Hauptsilben können dann aber immer so viele unbetonte Nebensilben vorher-
gehen oder nachfolgen, als eben während der angegebenen Zeitdauer sich aus-
sprechen lassen.“
Nachdem diess Alles durch Beispiele deutlich gemacht worden, spricht
sich Μ. näher über den Strophenbau aus. Vier Verszeilen bilden nach seiner
Theorie den geringsten Umfang einer Strophe, deren es sieben verschiedene
Arten gebe (S. 30 und 38). Ausnahmsweise (in kleinen Sprüchen, Volkslie-
dern u. s. w.) solle ein Lied nur aus einer einzigen Strophe bestehen und das
herrschende Gesetz in allen grösseren, vollständigen Liedern vielmehr verlan-
gen , dass immer zwei Strophen näher zusammen gehören und sich entsprechen
wie Salz und Gegensatz, oder Vorslrophe und Gegenstrophe (S. 40 und 41).
„Zu diesen beiden sich entsprechenden Strophen kommen nicht selten noch eine
Schlussstrophe mit einem abschliessenden Schlussgedanken“ (S. 41). Mehrere
Beispiele erläutern das Gesagte.
Was endlich die Alliteration und den Reim in der hebräischen Poesie be-
trifft, so scheint jene dem Verf. mehr nur eine Redeßgur zu sein wie im Hoch-
deutschen, „indem gewisse bedeutsame Worte mit den gleichen Konsonanten
anfangen“ (S. 49); „dieser aber als ein besonderer Schmuck der dichterischen
Rede häufig mit Absicht angebracht“ (S. 53), wovon zahlreiche Beispiele ge-
geben werden.
Als Anhang seiner Abhandlung gibt uns der Verf. noch, wie schon er-
wähnt worden, Beispiele über die sieben verschiedenen Arten des Strophen-
baues in hebräischen Liedern mit einer oft sehr gelungenen deutschen Ueber-
setzung. Auf das Einzelne hier einzugehen, müssen wir aber natürlich ver-
zichten.
Wir schliessen unser Referat mit dem Wunsche, dass die von dem Verf.
aufgestellle Theorie über die Form der hebräischen Poesie gründlich geprüft
werden möge, und sind unsererseits überzeugt, dass wenn dieselbe in ihrer
Anwendung und Ausbildung auch noch mancher Verbesserungen bedarf, doch
der Grundsatz selbst, auf dem sie beruht, der allein richtige ist, um endlich
auch in dieses bisher noch sehr chaotische Gebiet der alttestamentlichen Wis-
senschaft Licht zu bringen.

XLYI, Jahrg. 5, Doppelheft.

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