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Eckardt: Vorlesungen über Gölhe’s Tasso.

ter gründ des Gemäldes für dessen Grundlage genommen. Göthe
hatte das Hofleben als Mittel seiner Darstellung, als Dekoration be-
nutzt, aber nicht als Zweck der Darstellung im Auge gehabt.“ Den
Kampf des Dichter- und Hoflebens betrachten Ficker, Tr. Scholl
und Frau von Stael als die Tasso zu Grunde liegende Idee.
Offenbar steht diese Auffassung der Wahrheit näher, als die Le-
witz’sche, Auch Gervinus fasste den Gedanken so, dass der
„Dichter, der dem schrankenlosen Sinn folgt, und an das Enge des
realen Lebens anslösst, an den Ordnungen der wirklichen Welt,
deren Vertreter ihm in dem Staatsmann entgegen gestellt sei, schei-
tere.“ Auch Rotscher, Viehoff, Hillebrand, Eysell finden
die Idee des Stückes in dem durch Tasso als den einen Gegensatz
und durch Antonio als den andern ausgedrückten Streben. Tasso
erscheint als Vertreter des Idealismus, Antonio, dem Vertreter
des Realismus, entgegen. Allerdings stehen in diesem Stücke, was
ja auch Göthe ausdrücklich andeutet, indem er Antonio zum
prosaischen Kontraste des Tasso in Eckermanns Gesprächen
macht, Dichter und Hofmann, Reales und Ideales, überall einander
gegenüber. Sehr richtig sagt der Herr Verf., ein solcher Kontrast
sei in Tasso zwar vorhanden, habe aber im Drama selbst eine
untergeordnete Beziehung (S. 199). „Unsere Idee des Schauspiels,
sagt derselbe, liegt in Tasso selbst.“ Göthe schildert in Tasso
den Seelenzustand der Zeit, in welcher er ihn schrieb. So erscheint
Tasso, welcher Behauptung wir vollkommen beisliinmen, „als das
Denkmal der zweiten Durchgangsperiode,“ während Wert her das
der ersten war, als „ein Wert her in höherer Potenz.“ Göthe
sagt bei Ecker mann (ThI. III, S. 159), auf welche wichtige Stelle
der Hr. Verf. hinweist: „Wie richtig hat er (Ampere, ein Kritiker
Göthe’s im Globe) bemerkt, dass ich in den zehn ersten Jahren
meines Weimaranischen Dienst- und Hoflebens so gut, wie
gar nichts, gemacht, dass die Verzweiflung mich nach
Italien getrieben und dass ich dort mit neuer Lust zum
Schaffen die Geschichte des Tasso ergriffen, um mich in Be-
handlung dieses angemessenen Stoffes von demjenigen frei zu
machen, was mir noch aus meinen Weimaranischen Eindrü-
cken und Erinnerungen Schmerzliches und Lästiges anklebte. Sehr
treffend nennt er daher auch den Tasso einen gesteigerten
Werther.“ Diese Stelle führt den Hr. Verf. zur ganz richtigen Auf-
fassung der Idee der Dichtung. Göthe hat in ihr „seine eigenen
innern Kämpfe,“ sein „eigenes Schwanken“ und „Sichselbstwieder-
finden“ ausgesprochen. Die Dichtung befreite ihn von dem, was
ihn damals belästigte und beunruhigte, wie Werther von den Ver-
irrungen der ersten Durchgangsperiode.
Tasso ist kein „Hofstück,“ wie Lewitz will, sondern ein
„Dichtergemälde.“ Er ist nicht das Gemälde eines Dichters, wie er
sein soll, er ist so wenig, als Werther, ein Beispiel der Nachah-
mung. Wir möchten beisetzen, Tasso sei ein Dichterleben am
 
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