Eckardt: Vorlesungen über Göthe’s Tasso.
671
Hofe, durch welchen letztem Beisatz auch der Contrast der idealen
Träume Tasso’s und der realen Anschauungen Antonio’s be-
dingt ist. Das Hofleben war Göthe nicht nur, wie der Hr. Verf.
S. 201 sagt, „vom historischen Tassosloff geboten;“ sondern es
war auch ein Stück von seinem eigenen Leben, und auch dieses ist,
was Göthe im Hofleben Tasso’s schildert. Auch hier finden wir
in Göthe’s Dichtung, wie er selbst sagt, Fleisch von seinem
Fleische, Bein von seinem Beine. Tasso ist in der Mitte der
Gruppe der im Drama handelnden Personen. Er ist im Werden
begriffen, kein fertiger, entschiedener Charakter, durch das Schwan-
ken selbst krank. Er ist „in jenem Kampfe begriffen, von dem
sich Göthe losmachte, als er den Tasso schrieb.“ fSeite
203). Tasso schwankt zwischen dem wahren Berufe der Poesie
und der eigenen, krankhaften Anschauung. Antonio steht ihm hier
gegenüber als fertiger Charakter, fest und entschieden in Wahl, An-
schauung und Durchführung seines Berufes. Antonio, sein Feind,
auf den Tasso Alles, was er Feind nennt, in seiner Einbildung
überträgt, gibt ihm die gute Lehre seines Berufes, und bringt sie in
Tasso’s Seele zum klaren Bewusstsein.
Dieser steht aber nicht nur desshalb im Widerspruche mit der
Welt, weil er eine verkehrte Anschauung von seinem wahren und
eigentlichen Berufe hat, sondern er liegt auch im Kampfe mit den
einmal bestehenden, auf die Ordnung der Well sich stützenden Ver-
hältnissen des Lebens. Er hält in diesem „Widerspruche für er-
laubt, was ihm gefällt.“ Alle Schranken will Tasso in dieser Hin-
sicht überschreiten. Hier erfüllt ein anderer Gegensatz ihm gegen-
über die Aufgabe, in ihm diese Schranken und die bestehende Ord-
nung, welcher der Einzelne sich zu fügen hat, zum Bewusstsein zu
bringen. Als Gegensatz, der ihm diese Lehre veranschaulicht, steht
die Prinzessin Eleonore da mit ihrem Wahlspruche: „Erlaublist,
was sich ziemt.“ einer der edelsten Frauencharaktcre, die Göthe
geschaffen hat, voll glühender Begeisterung für das Gute, Wahre
und Schöne, voll Liebe und voll Kraft der Resignation im klaren,
milden, tiefgefühlten Erkennen der einmal von der Weltordnung ge-
zogenen Schranken. So fasst der Hr. Verf. die Gegensätze Tas-
so’s, Antonio und Eleonore von Este, sehr schön in die
Grundidee zusammen: „Erkenne deinen Beruf als Dichter,
und erfülle ihn in den von der Welt dir gesetzten
Schranken.“ Wer diese Lehre zu spät oder gar nicht erkennt,
geht unter — wird uns durch Tasso anschaulich gemacht. Die
Wahrheit liesse sich, allgemein gehalten, selbst auf den Menschen
überhaupt übertragen, wie dieses der Hr. Verf. S. 204 nachzuwei-
sen versucht. Da Tasso von Eleonoren mehr eine Lehre in
Beziehung auf die Resignation des Herzens, auf das „passive Sich—
unterordnen gegenüber objectiven Lebensverhältnissen,“ von Anto-
nio dagegen eine Mahnung zum „thalkräftigen Wirken,“ zur richtigen,
klaren Einsicht seines Berufes erhält, so wird der erste Gegensatz
671
Hofe, durch welchen letztem Beisatz auch der Contrast der idealen
Träume Tasso’s und der realen Anschauungen Antonio’s be-
dingt ist. Das Hofleben war Göthe nicht nur, wie der Hr. Verf.
S. 201 sagt, „vom historischen Tassosloff geboten;“ sondern es
war auch ein Stück von seinem eigenen Leben, und auch dieses ist,
was Göthe im Hofleben Tasso’s schildert. Auch hier finden wir
in Göthe’s Dichtung, wie er selbst sagt, Fleisch von seinem
Fleische, Bein von seinem Beine. Tasso ist in der Mitte der
Gruppe der im Drama handelnden Personen. Er ist im Werden
begriffen, kein fertiger, entschiedener Charakter, durch das Schwan-
ken selbst krank. Er ist „in jenem Kampfe begriffen, von dem
sich Göthe losmachte, als er den Tasso schrieb.“ fSeite
203). Tasso schwankt zwischen dem wahren Berufe der Poesie
und der eigenen, krankhaften Anschauung. Antonio steht ihm hier
gegenüber als fertiger Charakter, fest und entschieden in Wahl, An-
schauung und Durchführung seines Berufes. Antonio, sein Feind,
auf den Tasso Alles, was er Feind nennt, in seiner Einbildung
überträgt, gibt ihm die gute Lehre seines Berufes, und bringt sie in
Tasso’s Seele zum klaren Bewusstsein.
Dieser steht aber nicht nur desshalb im Widerspruche mit der
Welt, weil er eine verkehrte Anschauung von seinem wahren und
eigentlichen Berufe hat, sondern er liegt auch im Kampfe mit den
einmal bestehenden, auf die Ordnung der Well sich stützenden Ver-
hältnissen des Lebens. Er hält in diesem „Widerspruche für er-
laubt, was ihm gefällt.“ Alle Schranken will Tasso in dieser Hin-
sicht überschreiten. Hier erfüllt ein anderer Gegensatz ihm gegen-
über die Aufgabe, in ihm diese Schranken und die bestehende Ord-
nung, welcher der Einzelne sich zu fügen hat, zum Bewusstsein zu
bringen. Als Gegensatz, der ihm diese Lehre veranschaulicht, steht
die Prinzessin Eleonore da mit ihrem Wahlspruche: „Erlaublist,
was sich ziemt.“ einer der edelsten Frauencharaktcre, die Göthe
geschaffen hat, voll glühender Begeisterung für das Gute, Wahre
und Schöne, voll Liebe und voll Kraft der Resignation im klaren,
milden, tiefgefühlten Erkennen der einmal von der Weltordnung ge-
zogenen Schranken. So fasst der Hr. Verf. die Gegensätze Tas-
so’s, Antonio und Eleonore von Este, sehr schön in die
Grundidee zusammen: „Erkenne deinen Beruf als Dichter,
und erfülle ihn in den von der Welt dir gesetzten
Schranken.“ Wer diese Lehre zu spät oder gar nicht erkennt,
geht unter — wird uns durch Tasso anschaulich gemacht. Die
Wahrheit liesse sich, allgemein gehalten, selbst auf den Menschen
überhaupt übertragen, wie dieses der Hr. Verf. S. 204 nachzuwei-
sen versucht. Da Tasso von Eleonoren mehr eine Lehre in
Beziehung auf die Resignation des Herzens, auf das „passive Sich—
unterordnen gegenüber objectiven Lebensverhältnissen,“ von Anto-
nio dagegen eine Mahnung zum „thalkräftigen Wirken,“ zur richtigen,
klaren Einsicht seines Berufes erhält, so wird der erste Gegensatz