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Nr. 26. HEIDELBERGER 1856.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Ueber die älteste Bevölkerung Oesterreichs und Bayerns. Mit einem
die ausschweifenden Richtungen in der Österreichischen Geschichts-
pflege beleuchtenden Anhang. Von Matthias Koch. 160 S. 8.
Leipzig, Voigt und Günther. 1856.
Die Theorie von den territorialen Rechten des Keltenthums
wurde durch den berühmten Redner des Menschengeschlechts zuerst
auf nachdrückliche Weise verkündet und später auch wirklich in
Scene gesetzt. Die Eroberungsentwürfe des vierzehnten Ludwig
wussten von derartigen nationalen Missionen noch nichts; sie stütz-
ten sich lediglich auf die Ansprüche der absoluten, königlichen Ma-
jestät und zogen daneben hin und wieder juridische Principien,
z. B. vom Heimfallsrecht, in Mitleidenschaft. Den eigentlichen Pro-
pheten des alt-Gallischen Volksthums stellte dagegen erst der Preus-
sische Neu-Franke, Anacharsis Cloots, dar. Man müsse, lautete
neben anderm seine Adresse an die Batavischen Sanscülotten, die
Gränzen des alten „Galliens“ wieder gewinnen, Belgier, Bataver
(Holländer), Allobroger (Savoyer) dem Freistaat der Menschenrechte
einverleiben. Wenn alle Menschen Brüder seien, so passe das noch
weit mehr auf alle Gallier. — Vor dem Schattengespenst des Acker-
gesetzes und der Gütergleichheit dürften sich die reichen Bataver
nicht fürchten; man wolle dergleichen in der Franken- und Mensch-
heitsrepublik nicht u. s. w. (14. September 1793 S. Moniteur Nr. 40).
Wie derartige Lehren in Folge eines seltsamen Zusammenhanges
absichtlicher und zufälliger Verhältnisse wirklich in Vollzug kamen,
ist bekannt genug.
Das zweite Beispiel liefern die Tage des seligen Rheinbundes.
In höchst lächerlicher Art nämlich stritt man für und dawider über
den Gälischen oder Keltischen Ursprung der Bayern. Nach
dem Sturz des fremden Wesens erfolgte dann eine literarische Re-
action, welche mit Stumpf und Stiel, bisweilen nicht ohne Leiden-
schaftlichkeit, die ungermanischen Wurzeln und Beziehungen aus-
zurotten bemüht war; das Teutschthum feierte einen unbedingten
Triumpf. — Lange ruhete nun diese nationale Frage; da begann
man nach der Wiederaufrichtung des Französischen Kaiserthrons
auch hin und wieder von Kelten und Germanen zu verhandeln, es
scheint als triebe die Langeweile des lieben Friedens zu hitzigen
Controversen. Jener ist aber desshalb sicherlich nicht gestört; Zei-
ten und Völker haben gewechselt; man denkt diess- wie jenseit
hauptsächlich an die „materiellen Interessen“, an die Künste des
Befehlens und Gehorchens. Wie könnten da Nationalitätsconflicte
Raum gewinnen! — Die Sache bleibt also dermalen durchaus harm-
XLIX, Jahrg. 6. Heft. 26
 
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