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Nr. 13.

HEIDELBERGER

1856.

JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Carus: Organon der Erkenntniss.
(Schluss.)

Allein die hier angedeutete, p. 360 weiter erwähnte Ansicht,
dass jedes Wesen in dem Darlehen seiner eigenen Idee die göttliche
erfasse, im Selbstgefühle, im Selbstbewusstsein zum Gefühl des Wah-
ren, zur Einsicht in des Wesen der Dinge gelange, wird nicht weiter
ausgeführt; dagegen wird das Versinken des Bewussten in das Un-
bewusste behandelt, welches p. 86 als ein Einverleibtsein in das
Allgemeine und p. 72 als „unbewusstes Denken“ bezeichnet wird,
ein Zustand, in welchem sich „prometheisch der ganze Organismus
entfalte.“ Wir sehen überall: Carus verfolgt nicht, wie sich das
Bewusstsein einer Aussenwelt aus dem Gefühle der auf irgend eine
Weise modificirten Subjektivität heraus entwickelt. Ja er hat sich
in seiner Behandlung der Sinne den Weg zur Objektivität sogar
selbst abgeschnitten, indem er den ganzen Process auf ein subjektives
Gefühl zusammenzieht, welches nur subjektive Stimmungen enthalten
soll. Nach den Voraussetzungen der Identitätsphilosophie oder einer
spekulativen Selbstproduktion der Wahrheit ist diese freilich immer
noch zu erzielen, aber nur bei der Voraussetzung, dass Selbstgefühl
gleich Gefühl des Ewigen, und Selbstbewusstsein gleich Bewusstsein
der metaphysischen Objektivität sei. Diese Ansicht einer spekulati-
ven Erkenntniss finden wir denn auch wirklich im Organon darge-
stellt, wenn auch nicht begründet.
„Das Subjektive, so behauptet Carus p. 14, soll das durchaus
Gewisse und Unmittelbare sein.“ Das Selbstgefühl bei den Thieren
enthalte schon ein „gewisses dunkeles Wissen“; ja dieses „Sich-
selbstfühlen sei zugleich ein Fühlen des Allgemeinen, weil das Le-
ben des Thieres an sich ganz im allgemeinen Naturkreise versenkt
bleibe“, welchen es „gewissermassen als Theil seines Wesens und
darum unfehlbar fühle“ p. 24. Wie wenig scharf Carus sein Pro-
blem fixirt, sieht man recht deutlich an diesem Orte. Es handelt
sich nämlich eigentlich darum, die Thatsache zu erklären, dass, je
tiefer ein Wesen und sein Gefühl steht, es mit um so sichrerem In-
stinkte das Nothwendige thut; während je höher organisirt ein We-
sen, zwar die Einsicht um so tiefer, allein auch der Irrthum um so
leichter ist. Es hätten nun müssen die Gefühle untersucht und ver-
folgt werden, von dem Selbstgefühl an durch das Gefühl des Noth-
wendigen hindurch bis zu dem Mitgefühl für äussere Dinge, welches
sich zu einem gewissen Wissen steigern kann, Da aber Carus das
XLIX, Jahrg. 3. Heft. 13
 
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