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Nr. 27. HEIDELBERGER 1856.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

r. Bernhardt: Denkwürdigkeiten des General Grafen v. Toll.
(Schluss.)

Es scheint, hier waltete eine allgemein gefasste Instruktion
diktatorähnlichen Inhalts „je nach Umständen.“ — (Vgl. Jahrbücher
1852. Nr. 17. S. 267.) Es ist Schade, dass der Verfasser, welcher
wider den dämonischen Mann viel hin- und herredet, darüber nichts
beibringt. Auch wäre es zweckmässig gewesen, einen schon lange
gedruckten charakteristischen Aufruf wenigstens zu berühren. Man
fand ihn den 10. September an einen Pfahl angeschlagen auf der
Schlossplatz-Ruine zu Waronowo. „Seit acht Jahren, hiess es, habe
ich dieses Landgut verschönert und daselbst im Schoosse meiner
Familie glücklich gelebt. Die Einwohner dieses Orts, 1730 an der
Zahl, verlassen ihn bei eurer Annäherung, Franzosen, und ich stecke
mein Haus in Brand, damit es nicht durch eure Gegenwart besudelt
werde. Franzosen! ich habe euch meine beiden Häuser in Moskau
mit einem Mobiliar von einer Million Rubel Preis gegeben: hier
sollt ihr nichts finden als Asche.“ — So bereitete Rostopschin sich
und das Volk durch das Kleinere auf die grosse Tragödie gleichsam
vor. — Eine beachtenswerthe Andeutung findet man auch in einem
Briefe des Kaisers Alexander an den Admiral Tschitchagoff,
zwei Tage nach der Besetzung Moskau’s durch den Feind. „Loin
de croire, heisst es da, nos affaires dans une mauvaise Situation,
ä cause du lieu ou se trouve Napoleon au coeur de l’Empire, j’y
vois au contraire des chances avantageuses pour nous, et qui pour-
ront le faire röpentir de la manibre dont il s’est aventure.“ (Md-
moires de Tschitchagoff p. 43.).
Wie nun Kutusow in der bei Tarutino geschickt gewählten
Stellung sich allmählig unter Toll’s wachsender Beihülfe neu ein-
richtet und verstärkt, den biedern und umsichtigen Nebenfeldherrn
Barclay de Tolly aus Eifersucht zum Scheiden bewegt, Napo-
leons Friedensanträge schlau ausbeutet, endlich zum Handeln bei
Winkowo übergeht, wird sorgfältig im fünften Kapitel erzählt. Das
sechste schildert übersichtlich und manches Neue mittheilend den
Französischen Rückzug und die Russische Verfolgung. Dahin gehört
der Missbrauch, welchen man nicht selten mit den Rheinbundstruppen
betrieb. Diese hatten namentlich bei Borodino eine glänzende
Tapferkeit bewährt und hier wesentlich durch die kühnen Angriffe
der Westphälischen, Sächsischen und Wirtembergischen Reiterei zur
Wegnahme des Schlüssels der Stellung, der Rajewskischanze, bei-
getragen, überdiess verhältnissmässig inmitten der wachsenden Drang-
XLIX, Jahrg. 6. Heft. 27
 
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