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Nr. 8.

HEIDELBERGER

1856.

JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Gachard: Retraite et mort de Charles-Quint
(Schluss.)

Gegen seine Schwestern zeigt der kaiserliche Einsiedler die zar-
teste Aufmerksamkeit, welche denn auch vollkommen erwiedert wird;
um die kränkliche, verwittwete Königin Portugals und Frankreichs,
Eleonora, ist er besonders bekümmert und bringt es kurz vor ihrem
Tode durch unausgesetzte Unterhandlungen dahin, dass sie mit der
Tochter und Infantin Portugals, Marie, an den Gränzen beider Rei-
che zu Badajoz die lange umsonst begehrte Zusammenkunft abhalten
darf. Mit wahrhafter Hochachtung und Liebe begegnet Karl seiner
Schwester Marie, der verwittweten Königin von Ungarn und be-
währten Oberstatthalterin der Niederlande; lange versucht man je-
doch umsonst, sie bei wachsender Verlegenheit auf Betrieb Philipps
ebendahin zu senden; endlich unter Bedingungen nachgebend, wird
sie fast gleichzeitig mit dem Kaiser vom Tode überrascht. Jener
lebt dagegen mit dem Bruder und Reichsnachfolger, Ferdinand, in
einiger, bisher unbekannt gebliebenen Spannung; er wird sogar“ für
die Erleichterung des Gewissens“ an eine alte, längst verfallene
Geldschuld gemahnt, stellt aber dawider eine scharfe, den Gläubiger
sicher beschämende Gegenrechnung auf (II, 147 ff.; 18. Jänner 1557).
— Dem gemäss möchte Ferdinand, lautet der logische Schluss, gar
leicht sein eigenes „Gewissen“ beschwert finden, weil zweimalige
Bezahlung gefordert werde, und auch seine „Ehre.“ — Der Brief,
welchen der Adressat wohl nicht hinter den Spiegel stecken mochte,
ist übrigens Französisch geschrieben. Von der natürlichen, je-
doch für legitim erklärten Tochter Margaretha von Oesterreich oder
Parma ist ein kurzes, Italienisches Schreiben vorhanden, wel-
ches die zärtlichste Liebe und tiefste Ehrerbietung athmet (II, 106);
ihr sehnlichster Wunsch sei, den theuren Vater nur noch einmal
im Leben zu sehen. —
Geheimnissvoll, aber vielfach durch die Briefe und erläutern-
de Anmerkungen aufgeklärt bleibt das Verhältniss zu Don Juan
d’Austria. Karl sieht mehrmals in St. Yuste den Knaben „Hie-
ronymus“, um dessen Abkunft nur ein Paar Vertraute wissen,
ohne auch nur von fernher sich zu enthüllen; die ziemlich verlas-
sene und bescheiden verheirathete Mutter, Barbara Blomberg aus
Regensburg, findet sich im Heumonat 1558 in der Nähe des Klo-
sters ein und bekommt letztwillig die mässige, jährliche Leibrente
von 200 Gulden; „Hieronymus“ aber nimmt bald nach dem Tode
XLIX. Jahrg. 2. Heft. 8
 
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