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Gachard: Retraite et mort de Charles-Quint.

des Vaters, welcher ihn förmlich anerkannt hat, den Namen Johann
von Oesterreich an und entwickelt sich unter der Aufsicht des treuen
Haushofmeisters Quijada mehr zum Krieger denn prädestinirten Mönch
und Gelehrten. „Er studirt, wird dem König Philipp berichtet, mit
Mühe und Widerwillen, will auch nicht recht das Französische ler-
nen. Seine grösste Lust ist Reiten und Lanzenwerfen; beides ge-
schieht gegenüber seinem zarten Alter mit Fertigkeit“ (II, 514 und
die Vorrede 43). —
Wenn Karl dergestalt im Kloster immerdar als sorgsames Fa-
milienhaupt auftritt, so bekümmert er sich andererseits eben so
geflissentlich um die wichtigsten Interessen der Gesammtmonar-
chie, während ihm die innern Verwaltungssachen Spaniens im
Ganzen fern bleiben. Die Briefe beweisen es unwidersprechlich, dass
der Gedanke an gänzliche Abgeschiedenheit gegenüber den politischen
und weltlichen Angelegenheiten allmählig aufgegeben wurde. Den
eigentlichen Wendepunkt dafür aber bildet, wie der Herausgeber
gut gezeigt hat (Vorrede 53ff.), die Sendung des Ruy Gomez
de Silva (3. Febr. 1557). — Der Vater möge, verordnet die In-
struktion, bei den wachsenden Schwierigkeiten und Gefahren den
Sohn nicht nur durch Rath, sondern auch durch T h a t unterstützen;
schon das Gerücht von seiner kräftigen Dazwischenkunft werde die
Feinde lähmen und verwirren (II, 159 ff.). Dieser dringenden Auf-
forderung entsprach der Kaiser; zwar stellte er sich nicht persön-
lich an die Spitze der Geschäfte und Heere, aber er brachte in
Folge seines scharfen Ueberblicks Zucht und Ordnung in den Haus-
halt, sandte beträchtliche Summen in die Niederlande, machte Feld-
zugspläne, leitete wichtige Verhandlungen. Dahin gehört nament-
lich die bisher gänzlich unbekannt gebliebene, hier im Einzel-
nen und urkundlich verfolgte Negociation mit Anton von Navarra,
Herzog von Vendome. Dieses anziehende Geschäft, in welchem der
eine Theil den andern zu überbieten sucht, nimmt eine Reihe von
merkwürdigen und lehrreichen Aktenstücken wie Erläuterungen ein
(93—136 der Vorrede u. s. w.). Der schlaue Anton findet aber
an dem alten Diplomaten seinen Meister. Derselbe traut überhaupt
niemals den Franzosen; sie hielten, meint er, einen jeweiligen
Vertrag immer nur so lange, als es sich mit ihrem Nutzen vertrage
(der cuanto les estä bien) und fänden eben desshalb keinen rechten,
politischen Credit; man müsse ihnen gegenüber sehr auf der Hut
sein und sich eines plötzlichen Umschlags versehen (II, 294). —
So halb freiwillig, halb widerstrebend in den politisch-militäri-
schen Gang der Dinge verwickelt, empfand es Karl schmerzlich,
wenn Philipp den Frieden mit der Kirche oder vielmehr dem Papst
Paul IV. durch schwere, zum Theil unwürdige Opfer und Demüthi-
gungen erkaufte. „Weder der geheime noch öffentliche Vertrag,
heisst es im Schreiben an Vazquez, hat meinen Beifall (II, 304);
er ist schimpflich.“ — Mit solcher Ansicht stimmte auch der Her-
zog von Alba überein; er musste aber auf ausdrücklichen Befehl,
 
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