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Gachard: Retraite et mort de Charles-Quint.

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die Reue seines jugendlichen Herrn versichern und um die Zurück-
nahme eines Bannes bitten, welcher übrigens nicht einmal in Spa-
nien verkündigt werden durfte. — Man ersieht aus diesem Beispiel
den Unterschied zwischen Vater und Sohn. Dennoch war jener,
was ein neues Merkmal seines Charakters bildet, ein aufrichtiger
und treuer Anhänger des katholischen Glaubens und nicht sowohl
aus „Staatsklugheit“ denn „Ueberzeugung“ ein entschieder Widersacher
des Reformationsprincips als abgeschlossener Kirchengemeinschaft.
Dieser Zug, sonst vielfach und mit Grund bestritten, erhellt
aus den unzweideutigsten Urtheilen und Zeugnissen. Der Bruder
(Eray) Karl empfindet nichts schmerzlicher als den Fortschritt des
Lutherthums und sucht einzelne, früher kund gegebene Willfährig-
keit durch verdoppelten Eifer gleichsam gut zu machen. Ein Schauer
durchfährt seine Seele, als die gehässige Ketzerei selbst in dem ge-
weihten, jungfräulichen Boden des rechtgläubigen Spaniens Wurzeln
gewinnt und selbst in den hohem Gesellschaftskreisen Anhänger zählt.
Alles wird fortan aufgeboten, Inquisition, König, Staatsrath und Re-
gentin, dem Uebel zu begegnen, in höchster Spannung, mit Zittern
und Zagen jede Neuigkeit über den eingeleiteten Glaubensprocess
erwartet und hingenommen, selbst mit dem Neffen, Eidam und Rö-
mischen König, Maximilian, hauptsächlich desshalb gebrochen,
weil er verdächtigen Neuerern Zutritt gewährt und ihnen sogar den
Unterricht seiner Kinder anvertrauen will (S. II, 468. 477. 492 und
Vorrede 23ff.). Eine Reihe von Briefen, welche der zweite Band
enthält (p. 412. 417. 420. 435. 441. 444. 450. 461. 499), zeugt
für den kaiserlichen Glaubenseifer. Derselbe findet, seitdem das
Gerücht von entdeckten Irrlehren geht, keine Ruhe bei Tag und
Nacht; er treibt die Regentin Johanna, den König, die Behörden
zur kräftigsten Untersuchung an; er sieht sich auch dann nicht be-
friedigt, als man meldet, die Sache sei nicht so gefährlich, wie der
Ruf sie anfangs geschildert habe; seine Besorgniss wächst, als selbst
der Erzbischof von Toledo, und Primas Spaniens, Bartolomäus Car-
ranza, laut Aussagen der Verhafteten nicht ganz unschuldig erschien
(II. 469). Wurden doch in Sevilla die angesehenen Doctoren Con-
stantino und Bianco als verdächtig des Lutherthums eingezogen
(II, 499)! —
Dieser leidige Process mochte wohl wegen der Rückwirkung
auf Geist und Gemüth wesentlich zur tödtlichen Krankheit des kai-
serlichen Einsiedlers beitragen. Denn seine religiöse Aufregung ging
so weit, dass selbst der sonst beliebte Arzt, Dr. Mathys, eine Fran-
zösische Bibel als schon wegen der Sprache verbotene Frucht, und
um kein Aergerniss zu geben, den Flammen überlieferte (II, 413).
„Mein Gehorsam, schreibt der treue Doctor dem Staatssecretär Vaz-
quez, kennt keine Schranken; es kümmert mich daher auch wenig,
ob eine Bibel Französisch, Italienisch, Lateinisch, Griechisch oder
Vlämisch geschrieben sei, wiewol wir mit Sr. Majestät nichts als
Französisch sprechen“ (II, 414). —
 
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