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112 Gachard: Retraite et mort de Charles-Quint.
Molina, die übrigen an Johann den Dritten, König von Portugal,
an seine Gemahlin Katharina, Karls Schwester, die Infantin Maria,
Johanns Schwester und des Kaisers Nichte, eine bisher fast unbe-
kannt gebliebene, eigenthümliche Persönlichkeit, an den Herzog von
Albuquerque, an Ferdinand von Valdez, Erzbischof Sevilla’s und
Ludwig Quijada, den Majordom. —
Allerdings liefern diese Urkunden einen sehr wichtigen Beitrag
zur Charakteristik des Kaisers, welcher sich gleichsam lebendig be-
graben hat, aber weder sterben will noch kann; er bleibt im Quasi-
Kloster Mensch, Vater, Bruder, katholischer Christ und Regent; das
bekannte
naturain expellas furca tarnen usque recurrit
bestätigt sich auch hier an einem erhabenen Beispiel. Als Fami-
lienhaupt in gewissermassen patriarchalischer Stellung ist er vor allem
besorgt um die Wohlfahrt, Eintracht und Macht des Hauses; sämmt-
liche Mitglieder desselben liegen ihm am Herzen, besonders aber der
Sohn und Nachfolger. Eine eigenthümliche Mischung väterlicher
Liebe und Vertraulichkeit auf der einen, ehrerbietiger Hochachtung
auf der andern Seite durchzieht die bezüglichen Depeschen. Philipp
dagegen ist in den Antworten und Anliegen zwar höflich und kind-
lich gehorsam, aber zugleich meistens kurz, einsylbig und zuletzt so
wortkarg, dass er an Mittheilung gemahnt werden muss. Er er-
scheint übrigens besser als sein herkömmlicher Ruf, ist äusserst
fleissig und gewissenhaft in den Geschäften, achtet landschaftliche
und volkstümliche Rechte und Freiheiten, hasst Steuerdruck und
übermässige Büreaukratie, fleucht Schulden und Unordnung in den
Finanzen, kurz, zeigt sich als thatkräftigen, klugen und gewissen-
haften Regenten. Dafür spricht vorzüglich die lehrreiche, 1558 am
5. Junius dem Erzbischof von Toledo, Bartholomäus de Carranza,
ertheilte Instruktion (Nr. 147 tom II). Sie liefert ein klares Bild
der misslichen Finanzlage in den Niederlanden, Mailand, Sicilien,
Neapel und selbst Spanien; Kriege, Steuern, hier und da auch
bürgerliche Unruhen, haben fast überall den Staatsbedarf gestei-
gert, die Mittel der Befriedigung aber gemindert. Das alles macht
dem Könige Kummer und Sorge; in den Niederlanden, heisst es,
könne er sich ohne Geldhülfe nicht halten, diese aber um keinen
Preis von den schon so oft in Anspruch genommenen Ständen und
Landschaften fordern; denn dadurch gefährde er nicht nur Herr-
schaft und Besitz, sondern auch „eigene Ehre und Achtung, welche
ihm vor allem theuer seien“ u. s. w. (S. 431). —
(Schluss folgt.)
 
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