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Gachard: Retraite et mort de Charles-Quint.

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seiet Scene vollständig. Aber auch die Nachwirkungen derselben
treten nunmehr schärfer und klarer denn je hervor; der räthselhafte,
zehen Monate sich hinziehende Aufenthalt in den Niederlanden wird
aufgehellt, die Hauptursache der so lange verzögerten Abreise nach
Spanien in dem Geldmangel nachgewiesen. Dieser ist bei den
Herrn zweier Welttheile nicht zum letztenmal so drückend, dass
der Kaiser und Vater seinen Dienern Monate lang die Besoldung
schuldig bleibt, der König und Sohn, Philipp II., damals als junger
Ehemann in England, Monate lang entgegen dem Vorsatz in der
Fremde verweilen muss, weil er die zahlreichen Gläubiger vor der
Abreise befriedigen wüll. Ja, um zu sparen, schlägt der bedrängte
Kaiser vor, man möge das schwarze, in London für die Todtenfeier
der unlängst verstorbenen Mutter Johanna gebrauchte Tuch wohl in
Acht nehmen und für eine zweite, in Brüssel zu veranstaltende
Trauer zurücklegen; denn so gewinne man immerhin etwas bei der
leidigen, aber nun einmal vorhandenen Geldklemme (S. 108 ff. und
63 ff.). — „Dem Kaiser, heisst es hier wörtlich, fehlt das Geld für
seine täglichen Bedürfnisse; — der König (Philipp) in England hat
nicht 2000 Dukaten in seinem ganzen Hause; er zehrt von Credit
(come prestado).“ — Aber war denn kein Baron Rothschild da?
— Freilich; es lebte ja in Augsburg der christliche Graf Fugger,
ein Millionär, und welcher daneben mit schwarzen und weissen
Sclaven, namentlich Teutschen, in Amerika (Venezuela?) gute Ge-
schäfte machte. — An Baarschaften fehlte es wohl nicht, aber am
Vertrauen. Die unerwartete Abdankung hatte, scheint es, den Cre-
dit erschüttert und eine s. g. Finanzkrise herbeigeführt, welche so
lange dauerte, bis die thätige und umsichtige Regentin Kastiliens,
Johanna von Portugal, die nöthigen Summen auftrieb, den Vater
und Bruder flott machte. Sofort schiffte jener nach Spanien hinüber
und trat dieser, wenn auch mit schwerem Herzen, die Verwaltung
der, bald in einen neuen Franzosenkrieg verwickelten Niederlande
an. Reiseabenteuer, Empfang, Stimmung und Thätigkeit bis zum
Eintritt in St. Yuste werden nun genau beschrieben, darnach im zweiten
Bande die mannichfaltigen, inhaltsreichen Dokumente zuerst über-
sichtlich, dann im kritisch sorgfältigen Abdruck mitgetheilt. Sie sind
hundertundeinundneunzig an der Zahl, beginnen mit dem Schreiben
Karls an den Staatssekretär Juan Vazquez (Brüssel, 11. October 1555)
und schliessen mit dem letzten Bericht des kaiserlichen Haushof-
meisters Quijada an Philipp II. (Villagarcia, 6. Julius 1559), um-
fassen also einen Zeitraum von etwa dritthalb Jahren, welche nicht
nur in Bezug auf die klösterliche Einsamkeit, sondern auch rück-
sichtlich der gesammten politischen Entwicklung vielfach besprochen
und erläutert werden. Dreiundvierzig Briefe und drei Vollmachten
(Instruktionen) rühren unmittelbar von dem Kaiser her; zehen sind
gerichtet an den Sohn, König Philipp II., einer an den Bruder und
Römischen König, Ferdinand, neun an die Tochter Johanna, Spani-
sche Statthalterin, fünfzehn an ihren Staatsschreiber, Vazquez de
 
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